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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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nicht mal für ihn ein! Warum hast du diesem Hurenbock nicht die Fresse zerschlagen? Erzähl mir nicht, du hättest Angst vor ihm. Du bist ein Versager. Sprich mich nie mehr an und komm das Kind nie wieder besuchen. Ich will dich nie wieder sehen. Diesen Schweinekerl haben sie festgenommen, und er kommt vor Gericht. Aber ich werde ihn anklagen, weil du ein Schlappschwanz bist. Ab sofort bin ich Lazaritos Mutter und Vater, denn du bist ein Nichtsnutz und ein feiges Stück Scheiße.« Und sie ging, ohne dass ich den Mund aufmachen konnte. Ich blieb im Türrahmen stehen und dachte nach. Nein, es gab nichts nachzudenken. Mein Kopf war völlig leer. Und nicht mal ein Glas Rum in Reichweite.

 
     
Mein Arsch in Gefahr
     
    Zum Glück war ich nur sieben Tage lang eingesperrt. Ein Riesenkerl war fest entschlossen, mich in den Arsch zu ficken, und mir fiel nichts mehr ein, um das zu vermeiden. Das Einzige, was ich noch nicht versucht hatte, war, ihm eine selbst gefertigte Klinge ins Herz zu rammen. Ich setzte immer eine ernste Miene auf, sprach mit niemandem, hielt alle auf Armeslänge entfernt, aber er provozierte mich so, dass ich ihm eines Tages ins Genick sprang. Der Kerl war ein Kleider-schrank, ein geistig unterentwickelter Orang-Utan. Mit blanken Fäusten konnte ich ihm kaum beikommen, er würde mich k.o. schlagen. Auf die Tour schaffte ich es also nicht, ihm zu zeigen, dass ich ein Mann bin. Na, aber ihm war sowieso egal, was jemand war. Einer der anderen Häftlinge erzählte mir, wenn er sich jemanden einverleiben wollte, beobachtete er ihn, bearbeitete ihn, bis er sich schließlich Zugang zu seinem Arsch verschaffte, ganz egal wie. Sein letztes Opfer war ein junger Schwarzer gewesen, der dann schnell mit starken Blutungen ins Krankenhaus gebracht werden musste. Ich kam mit heilem Arsch wieder raus und versuchte, eine Weile Ruhe zu finden. Das Gericht hatte mir eine Geldstrafe von zehntausend Pesos aufgebrummt. Nur, weil sie mich mit zwanzig Langusten geschnappt hatten. Hätten sie mich einen Tag früher mit dem Rindfleisch gefasst, hätte ich drei, vier Jahre gekriegt. Dann hätte mein Arsch wirklich dran glauben müssen, und zwar bis hoch zu den Trommelfellen. Ich fand einen widerlichen Job im Schlachthaus, beim Soja-Hackfleisch. Den ganzen Tag lang rollte ich Kisten mit halb verwesten Häuten, Kuhmäulern, Gedärmen, Fett, Augen, Ohren, all den stinkenden Scheißteilen, an die niemand denkt, das Ekelhafteste. Die Kiste stellte ich zwischen mir und einem Schwarzen auf, direkt neben dem Fleischwolf. Von der anderen Seite brachte man die Kästen mit Soja. Zwei andere Burschen waren mit der Dosierung für das Hackfleisch beschäftigt.
    »Protein. Viel Protein fürs Volk, Genosse«, schrie mir der für die Dosis Verantwortliche über den Lärm des Fleischwolfs hinweg zu. Und er lachte sich tot mit seinem fetten Faulpelzgesicht.
    Ich habe nie erfahren, ob er mir das im Scherz gesagt hatte. Wir hatten nie ein anderes Gespräch als das. Nur er redete. Ich wollte nicht noch mehr Scherereien und hielt den Mund, denn sogar über Proteine zu sprechen, war politisch. Als würde man von Staatsseite Gift untermischen, um alle umzubringen und es dann den Yankees in die Schuhe zu schieben. Mir war's eh scheißegal. Ich wollte meine Ruhe. Aber die Probleme finden mich. Eines Nachmittags komme ich um vier aus der Schlachterei. Ich wartete nicht extra auf den Bus, sondern ging zu Fuß. Ich überquerte Carlos III. Als ich Espada in Richtung San Lázaro hinuntergehe, komme ich an einer Bar vorbei, die Paticruzao, diesen herrlichen Rum aus Santiago, serviert. Verdammt, so ein Glück! Den findet man sonst nirgends. Die Bar ist nach allen Seiten offen. Sie liegt im Viertel Cayo Hueso, ist aber um diese Zeit noch ziemlich ruhig. Eine Bar mit Bänken, und es werden Suppen und Brühen an die Ärmsten der Armen verkauft. Ich setzte mich in eine Ecke, bestellte einen Doppelten und fühlte mich sofort viel entspannter. Rum entspannt meine Müdigkeit, betäubt mich. Ich saß auf einer Bank zur Straßenseite hin. Die breiten Türen waren hochgeschoben. Ich sitze gerne an der Tür. Wenn es nach Schlägerei aussieht, kommt man sofort raus.
    Der Typ neben mir fängt an, mir seine Probleme zu erzählen. Er ist Soldat und vor einer Woche für einen Spezialjob ange-fordert worden. Zwei Tage lang arbeitete er von morgens um acht bis zehn Uhr nachts, und am Ende brannten ihm die Augen, aber er hatte sechs Dollar verdient. Seine Frau knöpfte sie ihm

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