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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Gläschen Rum. Köstlich. Ich meine, ich fühlte mich köstlich. Den Rum weniger. Er schmeckte ein bisschen nach Diesel. Und dann ging ich raus, um Russisch Roulette zu spielen. Ich hatte noch sieben Dollar und zweiundzwanzig Pesos. Die Dinge hatten schon schlechter gestanden, und ich war immer wieder flott geworden. Es herrschte Betrieb an der Ecke Paseo und 23ste. Und Formel Eins war da mit seinem Fahrrad. Es war die richtige Zeit. Fast fünf Uhr nachmittags. Diese Kreuzung ist sehr belebt. Verkehr in alle Richtungen. Wir einigten uns. Ich spielte die sieben Dollar fünf zu eins. Wenn ich gewann, gab's fünfunddreißig Dollar. Ich wettete immer, dass der Junge es schaffte. Dann kam ein bis zu den Knöcheln mit viel Silber und Gold behängter Schwarzer. Das Arschloch wettete immer, er würde es nicht schaffen.
    »Ich wette ums Blut, Mann, immer ums Blut. Mehr sage ich nicht.«
    Immer, wenn wir uns trafen, nahm er meine Wette eins zu fünf an. Trotzdem habe ich nie richtig Geld gemacht. Vor einem Monat hatte ich einen Rekord gesetzt: Ich gewann fünfunddreißig Dollar auf einen Schlag. Reines Glück. Delfina war bei mir gewesen. Ich kassierte, zeigte ihr all die Kohle, und sie wurde verrückt. Ich nenne sie Delfi, weil sie den bescheuertsten Namen von ganz Havanna hat. Wir gingen hinunter zum Strand und mieteten dort ein Zimmer und feierten zwei Tage lang mit Essen, Rum und Marihuana. Delfi ist eine bildschöne, herausfordernde Schwarze, aber irgendwie sind solche Orgien nichts mehr für mich. Delfi will nur Schwanz, Rum und Marihuana. In dieser Reihenfolge. Aber ich konnte nicht unentwegt ficken. Als er mir nicht mehr stand, versuchte mir dieses unersättliche Weib ihren Finger in den Arsch zu stecken, um noch ein bisschen aus mir herauszuholen. Ich knallte ihr eine. »Nimm sofort deinen Finger aus meinem Arsch, du schwarze Schlampe.«
    Aber dann machten wir weiter und immer weiter. Wohl aus Stumpfsinn. Als der Rum, das Marihuana und die Dollars alle waren, setzte mein Verstand langsam wieder ein. Alles tat mir weh: der Kopf, der Arsch, der Hals, der Schwanz, die Taschen, die Leber, der Magen. Anders Delfi. Sie war achtundzwanzig und ein echter schwarzer Feger, muskulös und ausdauernd. Sie war durchaus in der Lage, noch zwei, drei Tage weiterzumachen, ohne Pause. Unermüdlich, diese schwarze Hexe. Unglaublich. Ein Wunder der Natur. Der Bursche, der jetzt sein Russisch Roulette abziehen wollte, griff nach seinem Fahrrad. Er trug ein rotes Tuch um den Kopf. Er war ein ganz junger Mulatte, etwa fünfzehn, sechzehn, und klebte förmlich an seinem Fahrrad. Er ließ es bestimmt nicht mal los, wenn er schiss, dieses kleine, robuste, schön verchromte Rad mit den dicken Reifen. Er lebte davon. Blanke zwanzig Dollar strich er ein, jedes Mal, wenn er rüberfuhr. Er war gut. Manchmal führte er ein paar akrobatische Kunststücke vor und ließ sich auch dafür bezahlen: er legte zehn Kinder nebeneinander mitten auf die Straße. Dann entfernte er sich einige Meter, bekreuzigte sich, schoss los und flog über die Kinder hinweg. Das veranstaltete er in jeder Straße, in die man ihn rief. Die Leute setzten Wetten auf ihn, er nicht. Er kassierte seine zwanzig Dollar und haute ab. Eitel erzählte er den Leuten: »Ich bin Formel Eins.«
    Formel Eins fuhr jetzt auf seinem Fahrrad Paseo hoch und schlug zwischen den Autos ein paar Kapriolen, vollführte Sprünge, flog hoch in die Lüfte, machte zwei Drehungen und landete auf einem einzigen Reifen. Meisterhaft! Die Leute sahen ihm zu, wussten aber nicht, was er vorhatte. Mit sieben Mann standen wir unter den Bäumen an der Ecke des Konvents und taten, als ginge uns alles nichts an. Kein Polizist war zu sehen. Formel Eins wartete auf ein Zeichen von uns. In dem Moment, in dem die Ampel der 23sten auf Grün schaltete, senkte der Mann neben mir seinen Arm, und Formel Eins schoss wie der Blitz Paseo hinunter. Auf der 23sten in Richtung La Rampa gaben dreißig Autos Gas, genervt vom Feierabendverkehr, eiligst darauf aus, nach Hause zu kommen. In Gegenrichtung nach Almendares standen brodelnd vor Ungeduld weitere dreißig, vierzig Autos. Insgesamt hatte Formel Eins also etwa siebzig Chancen, überfahren zu werden, und eine einzige, zu überleben. Meine sieben Dollar standen auf dem Spiel. Wenn der Bursche umkam, war ich pleite. Ich war völlig darauf angewiesen, dass Formel Eins unbeschadet hinüberkam und seine zwanzig Dollar verdiente. Und er schaffte es! Wie der Blitz! Ich weiß nicht, wie

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