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Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Titel: Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Reist
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gestellt. Trotzdem scheint mir Ihre Hypothese sehr weit her geholt, und ich sage Ihnen auch warum. Sybille Senn litt an einer depressiven Erkrankung, kombiniert mit Ängsten. Das heisst konkret, als sie zu uns kam, war sie nicht in der Lage, morgens aus eigenem Antrieb aufzustehen und sich anzuziehen, sie hatte jeden Lebenswillen verloren. Durch die Behandlung brachten wir sie dazu, wieder einigermassen zu funktionieren, um es umgangssprachlich auszudrücken. Trotzdem war es für sie noch sehr schwierig, einen Sinn im Leben zu sehen, ihre Welt war immer noch grau und freudlos. Hätten wir eine andere Störung diagnostiziert, beispielsweise eine manisch-depressive Krankheit, oder eine Schizophrenie, dann wäre es zwar unwahrscheinlich, aber theoretisch möglich, dass die Patientin einen Mord beginge. Sie könnte dann in einer Phase hektischer physischer und psychischer Aktivität plötzlich ungeahnte Kräfte entwickeln. Frau Senn hingegen hatte Mühe, auch nur die kleinste und alltäglichste Absicht in die Tat umzusetzen, und deshalb denke ich, dass Sie auf dem Holzweg sind.“
    Das sagt mir meine Intuition auch, dachte Nick. Laut sagte er: „Vielen Dank für Ihre aufschlussreichen Erklärungen, Herr Doktor Müller, Sie haben uns sehr geholfen. Wäre es trotzdem möglich, dass ich mit Frau Doktor Fischer direkt sprechen könnte? Wann ist sie denn wieder im Dienst?“
    „Leider erst nächste Woche. Ich gebe ihr Ihre Nummer, dann ruft sie Sie in den nächsten Tagen an. Im Übrigen ist unsere Geschäftsleitung über den Suizid informiert, aber Ihre Hypothese möchte ich im Moment gerne für mich behalten, solange kein wirklich begründeter Verdacht besteht. Der Fall wäre ein gefundenes Fressen für die Presse, verstehen Sie, eine Schlagzeile in der Art von Königsfelden: Mord im Ausgang? würde uns sehr schaden, auch wenn ein Fragezeichen dahinter steht.“
    „Das verstehe ich sehr gut, Herr Doktor Müller. Ich werde Ihnen nach meinem Gespräch mit Frau Doktor Fischer sagen, wie es weitergeht, aber vorerst behalten wir die Informationen für uns. Nochmals vielen Dank, und auf Wiedersehen.“
    „Auf Wiedersehen, und kommen Sie jederzeit wieder, auch für einen kleinen Rundgang, Herr Pfister.“
    Auf gar keinen Fall, dachte Pfister, nein, hierher will ich möglichst nie mehr kommen. Mit Schwung öffnete er die schwere Eingangstüre und trat erleichtert in die kalte Novemberluft hinaus.
    „Er will vor allem sich selbst und die Klinik schützen“, sagte Nick nachdenklich, „und das ist auch verständlich. Trotzdem will ich von der Frau Doktor persönlich nochmals hören, warum unsere Sybille keinen Mord begehen konnte.“
    Pfister liess seinem Unbehagen freien Lauf. „Ich traue diesen Seelenklempnern nicht über den Weg. Sie durchschauen einen sofort und legen jedes Wort auf die Goldwaage. Ich bin sicher, dass Müller die Fischer sofort über unser Gespräch informiert und mit ihr vereinbart, was sie uns sagen soll.“
    „Da könntest du Recht haben, aber ich werde einen Weg finden, sie zum Reden zu bringen – vielleicht hat sie uns ja wirklich etwas Wichtiges zu sagen.“ So richtig daran glauben konnte Nick jedoch nicht.

Oktober 2007
     

    Elena Fuchs wurde durch das Geräusch quietschender Reifen aus dem Schlaf geschreckt. Drei Uhr morgens, und immer noch fuhren Autos mit übersetzter Geschwindigkeit durch die Quartierstrassen. Die Vorstadtstrasse in Küttigen wurde oft als Schleichweg benutzt, und immer wieder kam es zu Beinahe-Unfällen mit Fussgängern, Kindern oder Tieren. Automatisch tastete sie im Dunkeln nach Kater Pharao – er lag Gott sei Dank friedlich schnarchend auf der Bettdecke. Als er ihre Hand spürte, drehte er sich wohlig zur Seite und bot ihr seinen Bauch zum Streicheln dar. Bleib schön hier, flüsterte sie, es ist viel zu gefährlich für dich, nachts auf die Pirsch zu gehen. Als erfahrene Katzenmama wusste sie natürlich, dass er trotz ihrer Warnungen kommen und gehen würde wie es ihm passte. Die Katzentüre zum Garten war immer offen, seine Aufgabe war es, sein Revier zu verteidigen und Mäuse zu fangen, die er ihr dann jeweils als Geschenk auf dem Küchenboden präsentierte. Sie liebte ihren rot getigerten Kater über alles, liebte überhaupt Tiere, manchmal mehr als Menschen.
    Sie schloss das Fenster, legte sich wieder hin, und Pharao schmiegte sich schnurrend an ihre warmen Beine. Noch drei Stunden Ruhe, bevor es wieder Morgen war und sie sich mit den vielfältigen Personalproblemen

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