Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
gemeingefährlich war das! Flüchtig erinnerte er sich daran, dass Andrew erwähnt hatte, Viktoria arbeite in der psychiatrischen Klinik. Vielleicht sollte er sich gelegentlich mit ihr darüber unterhalten – anderseits war er nicht sicher, ob Viktoria überhaupt mit ihm reden würde. Er trank seinen Whisky aus und beschloss, den Zwischenfall zu vergessen. Er würde später mit Elena weitere Massnahmen besprechen, und dann wäre die Sache erledigt.
*
„Sie hatte ein grosses Messer in der Handtasche, und ich habe es ihr abgenommen.“ Elena sass gerade aufgerichtet am Sitzungstisch von Truninger und berichtete. „Sie hätte Sie ernsthaft verletzen können.“
„Ach was, sie war mir nie nahe genug, um mir ein Messer in den Bauch zu stossen. Aber dass sie wirklich krank ist, das habe ich heute gesehen.“ Tom lehnte sich in seinem Sessel zurück und schüttelte den Kopf. „Und warum kann sie sich so frei bewegen?“
„Sie wohnt in der offenen Abteilung der Klinik und kann deshalb tagsüber ein paar Stunden lang tun, was sie will. Man ist offensichtlich der Ansicht, dass sie bald wieder gesund sein wird und die täglichen Anforderungen des Lebens meistern kann.“
„Kaum zu glauben, wie sich die Psychiater täuschen können. Rufen Sie doch in der Klinik an und versuchen Sie, mit dem behandelnden Arzt zu sprechen. Geben Sie ihm keine Details, aber lassen Sie ihn wissen, dass die Frau gefährlich ist, und dass die Behandlungsstrategie geändert werden muss. Wir können uns solche Zwischenfälle nicht leisten.“
Elena schaute Tom mit einem ungewöhnlich harten Blick in die Augen. „Glauben Sie nicht, dass auch wir ein klein wenig schuld sind am Zustand von Sybille Senn? Immerhin haben wir sie fristlos entlassen aus Gründen, die sie nie nachvollziehen konnte.“
„Was ist mit Ihnen los, Elena? Die Geschichte haben wir doch schon mehrmals durchgekaut, es gibt dazu nichts mehr zu sagen. Oder wollen Sie sich etwa auf die Seite von Frau Senn schlagen und drastische Massnahmen ergreifen? Das Messer hätten Sie ja“, lachte er und zog ein Aktenbündel zu sich hin. „Lassen Sie uns Frau Senn vergessen. Wir haben noch viel zu tun mit unseren Projekten.“
Sie ist nicht bei der Sache, dachte er nach einer Viertelstunde. Schon seit ein paar Tagen war sie kurz angebunden und verschanzte sich in ihrem Büro, die normalerweise weit offene Türe war geschlossen. Gerötete Augen hatte sie auch, vermutlich eine Liebesgeschichte, und die Szene vorhin hatte wohl nicht gerade zur Verbesserung ihrer Laune beigetragen. Weil auch er sich nicht konzentrieren konnte, brach er die Sitzung ab und schickte Elena nach Hause.
Donnerstag, 15. November 2007
Peter Pfister hatte die Aufgabe erhalten, nochmals die Überwachungsvideos durchzusehen, und zwar auch diejenigen vom späten Nachmittag des 6. November. Nick hatte dem Team erzählt, dass Sybille Senn zu dieser Zeit an der Bahnhofstrasse gesehen worden war, und nun wollten sie herausfinden, ob sie das Casino betreten hatte.
„Und woher soll ich wissen, wie sie aussieht? Wir haben nur das Foto der Toten“, brummte Pfister mürrisch. „Auf den Videos gibt es unzählige Leute, die geschäftig durch die Gänge laufen, man erkennt die Gesichter nicht immer, es könnte also jeder sein.“ Er rieb seine Augen. „Aber bitte, wenn du unbedingt willst – du bist der Chef.“
„Hör auf zu meckern, Peter“, antwortete Nick, „deine negative Einstellung geht mir langsam auf die Nerven. Du musst nach einer Figur mit Wintermantel und einer grossen Handtasche suchen, die sich möglicherweise weniger natürlich bewegt als die anderen Angestellten.“
„Woher weisst du, dass sie eine grosse Handtasche trug?“ fragte Angela erstaunt.
„Ihr kennt ja meine Freundin Marina Manz. Sie hat Frau Senn zur fraglichen Zeit in Aarau gesehen und ein paar Worte mit ihr gewechselt. Sie war eine Stammkundin im Institut Marina.“
Nick wusste, was jetzt kommen würde, und er formulierte die Antwort in Gedanken.
Schon tönte es empört aus Pfisters Ecke: „Eigentlich darfst du einen ungelösten Mordfall nicht mit Aussenstehenden diskutieren, das solltest du mittlerweile wissen. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir alle am Stammtisch den neusten Ermittlungsstand ausplaudern würden!“
„Erstens, Peter, weiss ich genau, worüber ich reden darf und worüber nicht. Zweitens lege ich meine Hand ins Feuer für Marinas Diskretion. Sie wäre als Kosmetikerin längst erledigt, wenn sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher