Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
des Grand Casinos auseinander setzen musste. Nur nicht ins Grübeln kommen jetzt, sonst wäre an Schlaf nicht mehr zu denken. Sie schaffte es, sich zu entspannen und wachte nicht auf, als Pharao einige Zeit später über ihre Beine kletterte, geräuschvoll ein paar Bissen Trockenfutter verspeiste und sich auf den Weg machte zu seinen eigenen geheimnisvollen Pflichten. Später war sie unter der Dusche und hörte nicht, dass draussen wieder Bremsen quietschten, dass jemand anhielt, aus dem Auto stieg und nach kurzer Zeit wieder weg fuhr. Um halb acht Uhr, als sie ihren Kaffee trank und sich innerlich geruhsam auf den Arbeitstag vorbereitete, kam die Nachbarin mit dem leblosen roten Fellbündel im Arm, Tränen in den Augen. Es sei ein grosser dunkler Geländewagen gewesen, die Nummer habe sie nicht erkennen können.
Dienstag, 6. November 2007
Es klopfte. „Kommen Sie nur herein, Elena, ich bin gleich so weit. Setzen Sie sich.“ Ohne sich umzudrehen, vervollständigte Tom Truninger eine Tabelle auf seinem Bildschirm, importierte sie in eine E-Mail und sandte sie an die Konzernzentrale. „So, das hätten wir, damit sollte auch der Informationsdurst der Marketingabteilung befriedigt sein.“ Er rollte mit seinem Ledersessel zurück und erschrak – nicht Elena sass vor seinem Schreibtisch, sondern Sybille Senn.
„Frau Senn, guten Abend. Ich bin erstaunt und überrascht, Sie hier zu sehen.“ Er musterte sie, bemerkte ihre Anspannung und ihr leichtes Zittern. Sie trug ein gut geschnittenes Kostüm, aber der Stoff war zerknittert und die Bluse darunter ungebügelt, der graue Haaransatz war gut sichtbar und die Fingernägel abgebissen; der Unterschied zu ihrer früher sehr gepflegten Erscheinung war frappant. „Wie geht es Ihnen? Und was führt Sie zu mir?“ Er fragte sich, wer sie ins Gebäude gelassen hatte.
„Ich will Gerechtigkeit, Herr Truninger“, sagte Sybille mit lauter, fester Stimme. „Sie haben mein Leben zerstört, und jetzt will ich Gerechtigkeit.“
Tom lachte laut heraus. „Gerechtigkeit wollen Sie, Frau Senn? Die Welt ist ungerecht, das wissen Sie doch ganz genau. Im Übrigen habe ich Sie nur entlassen, nicht ihr Leben zerstört, wie Sie sagen.“
„Doch, das haben Sie. Meine Arbeit hier war sehr sinnvoll und hat mich immer glücklich gemacht, aber als Sie kamen und mich zu kritisieren begannen, da wurde alles anders.“ Ihre Stimme begann zu zittern, sie atmete flach und schnell. „Langsam und schleichend wurde ich krank, hatte Angst vor Ihnen, traute mir nichts mehr zu. Als dann die Kündigung kam, brach alles auseinander, meine Ehe, meine Familie, meine Selbstachtung. Sie haben mein Leben zerstört, und ich werde für Gerechtigkeit sorgen.“
In ihrer grossen Handtasche umklammerte Sybille das Küchenmesser, aber ihr Arm war wie gelähmt, sie schaffte es nicht, das Messer herauszuziehen und Truninger zu zeigen, welche Art von Gerechtigkeit ihn erwartete. Sie begann zu weinen und stiess hervor: „Ich werde Sie umbringen, Herr Truninger!“
„So, jetzt reicht es aber, Frau Senn.“ Truninger nahm das Telefon und drückte eine Taste. „Elena, kommen Sie bitte in mein Büro. – Nein, nicht in fünf Minuten, sondern jetzt. Frau Senn ist hier und will mich umbringen.“
Er stand auf. „Jetzt beruhigen Sie sich. Frau Fuchs wird Sie gleich abholen und mit Ihnen reden. Ich habe keine Zeit für solche Spiele.“
Er kam um den Schreibtisch herum und fasste sie unsanft am Arm. „Stehen Sie auf und verlassen Sie mein Büro. Sie haben hier nichts mehr zu suchen.“
Sie wehrte sich nicht, als er sie zur Tür führte, wo soeben Elena aufgetaucht war.
„Elena, nehmen Sie Frau Senn mit und geben Sie ihr eine Tasse Tee, dann beruhigt sie sich vielleicht. Und schauen Sie in ihrer Handtasche nach, ob sie irgendein Mordinstrument dabei hat. Sie kommt mir nicht mehr ins Haus, das müssen die Sicherheitsleute wissen.“
„Kommen Sie, Frau Senn, wir gehen in mein Büro.“ Elena legte der weinenden Sybille den Arm um die Schulter und begleitete sie hinaus.
Tom spürte, wie sein Herz raste. Zur Beruhigung schenkte er sich einen Whisky ein und nahm einen tüchtigen Schluck. Die Frau war wirklich verrückt, wer wusste wozu sie fähig war. Er beglückwünschte sich selbst dazu, wie schnell er sie wieder los geworden war, ohne sich seine plötzliche Angst anmerken zu lassen. Wie konnten die Leute in Königsfelden nur so blöd sein, jemanden mit Mordgelüsten frei herum laufen zu lassen,
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