Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
habe ich nicht verstanden. So etwas Ähnliches wie › Kuckuck‹. Ich habe offenbar doch Recht, was Israil angeht, der Vater Wirtschafter hat mich zu Unrecht als Flegel beschimpft. Bei dem Alten piept es, Kuckuck.« Er tippte mit dem Finger an die Schläfe.
    Den gespannt hochgezogenen Augenbrauen nach zu urteilen, war Pelagi anderer Meinung, doch er widersprach nicht, sondern sagte nur:
    »Morgen fahre ich wieder mit, in Ordnung?«
    »Von mir aus kannst du mitfahren, solange dir Papas Rubelchen nicht ausgehen.«
    Dann kam der »gelbe« Tag – der Bluterguss hatte seine Farbe von Grün zu einem Gelbton gewechselt.
    An diesem Tag sprach der Mönch Folgendes:
    »Und der Chrisambereiter mischt das Salböl – non facit.«
    »Bei dem piept es schon wieder«, resümierte Bruder Kleopa. »Bald spricht er nur noch in der Vogelsprache. Diesen Unsinn werde ich mir nicht merken, ich werde dem Vater Wirtschafter irgendwas erzählen.«
    »Warten Sie, Vater«, mischte Pelagi sich ein. »Der Chrisambereiter kommt im Buch Jesus Sirach vor. Damit ist ein Arzt gemeint, und das Mischen des Salböls meint eine Arznei, auch Mischung oder wissenschaftlich Mixtur genannt. Aber warum er › non facit‹ gesagt hat, weiß ich nicht.«
    Er sprach mehrmals »non facit, non facit« vor sich hin und verstummte dann, ohne sich weiter mit dem Fährmann zu unterhalten. Zum Abschied sagte er:
    »Bis morgen.«
    Am nächsten Tag bot Polina Andrejewnas Gesicht wieder einen ganz manierlichen Anblick, es schimmerte nur noch in einem zarten Blassgelb. Der Tag hatte die gleiche Schattierung, es war ein milder, sonniger Tag, mit einem leichten Dunstschleier überzogen.
    Pelagi hatte es so eilig, die Nachbarinsel zu erreichen, dass er sich ordentlich ins Zeug legte und kräftiger als nötig ruderte, weshalb das Boot anfing, sich zu drehen. Schließlich erhielt er für seinen ungebührlichen Eifer von Bruder Kleopa eine Kopfnuss, und sein Schwung erlahmte.
    Der Abt wartete am Ufer. Pelagis Idee mit der Mixtur war anscheinend richtig gewesen – der Mönch nahm das Fläschchen entgegen und nickte. Dann sagte er dem Klosterbruder Folgendes:
    »Gräme dich nicht, er ist gesund – monachum.«
    Der junge Mönch nickte, als hätte er genau diese Worte zu hören erwartet.
    »Na, Gott sei Dank, es sieht so aus, als ob es dem Kranken besser ginge«, bemerkte Kleopa auf dem Rückweg. »Hast du gehört, wie er David genannt hat – monachum. Der heilige Mönch benimmt sich wirklich wunderlich . . . Was ist, kommst du morgen wieder?«, fragte der Fährmann den merkwürdig schweigsamen Knaben.
    Der schien gar nicht zuzuhören.
    Das war am »blassgelben« Tag, und dann kam der letzte Tag, an dem alles zu Ende ging.
    An diesem letzten Tag geschah so viel, dass der Herr mir helfen möge, nicht den Faden zu verlieren und nichts auszulassen.
    Der letzte Tag. Morgen
    Fangen wir ganz vorne an, mit dem frühen Morgen.
    Um neun Uhr, es war noch nicht richtig hell, erscholl vom See herüber ein langanhaltendes Tuten – der Dampfer »Heiliger Wassilisk« aus Sineosjorsk war eingelaufen, unter dem Kommando eines angeheuerten Kapitäns. Frau Lissizyna hatte um diese Zeit schon Kaffee getrunken, saß vor dem Spiegel und betrachtete voller Wohlgefallen ihr makelloses Gesicht. Sie drehte den Kopf bald hierhin, bald dorthin und konnte sich gar nicht satt sehen. Das Tuten des Dampfers hörte sie zwar, doch maß sie ihm keinerlei Bedeutung bei.
    Das war unbedacht.
    Nach dem dumpfen, dröhnenden Signal war eine Stunde, vielleicht auch etwas mehr, vergangen, und Polina Andrejewna hatte in der Zeit gefrühstückt, sich angekleidet und sich fertig gemacht, um Berditschewski zu besuchen, als ein Mönch, der Zellendiener des Archimandriten Witali, an ihre Tür klopfte.
    »Der hochehrwürdige Vater bittet Sie, ihn aufzusuchen«, sagte der Mönch mit einer Verneigung, um dann höflich, aber entschlossen hinzuzufügen: »Jetzt gleich. Die Kutsche wartet.«
    Auf die Fragen der erstaunten Pilgerin antwortete der Mönch nur ausweichend. Eigentlich antwortete er gar nicht, sondern gab nur Interjektionen von sich. Doch der Miene des Abgesandten entnahm die Lissizyna, dass sich im Kloster etwas Außerordentliches zugetragen haben musste.
    Wenn er nicht reden wollte, dann sollte er es eben lassen.
    Sie zögerte, ob sie die Reisetasche mitnehmen sollte, ließ sie dann aber doch zurück. Mit einer tödlichen Waffe ins Kloster zu fahren, wäre lästerlich. Zum Schutz vor den neugierigen Angestellten

Weitere Kostenlose Bücher