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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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zwinkerte er ihm zu.
    Er bekam einen Rubel und erzählte, wie er gestern Morgen den Mönch Ilari zur Nachbarinsel gebracht hatte und wie die beiden anderen Eremiten den neuen Mitbruder empfangen hatten: Der eine hatte ihn schweigend geküsst, das heißt seine Kapuze mit seiner eigenen berührt, und der Abt hatte laut gesprochen: »Dein ist der Himmel, Feognost.«
    »Wieso Feognost?«, wunderte sich Pelagi. »Der heilige Vater heißt doch Ilari?«
    »Ich hab es zu Anfang selbst nicht kapiert. Ich dachte, Israil ist nun endgültig altersschwach geworden und hat die Namen verwechselt. Seine Mitbrüder hießen nämlich Feognost und David. Doch als ich dem Vater Wirtschafter die Worte des Abts überbrachte und ihm sagte, was ich davon hielt, hat er mich wegen meiner Respektlosigkeit ausgescholten und mir den Sinn erklärt. Die ersten Wörter › Dein ist der Himmel‹ verheißen das Himmelreich, sie sind aus dem Psalm Ethan. Mit diesen Worten muss der Abt jeden neuen Eremiten begrüßen. Das letzte Wort hingegen ist frei wählbar und für das Kloster bestimmt. Der Vater Wirtschafter hat gesagt, der Mönch hätte uns damit erklärt, wer von den Brüdern in den Himmel eingegangen ist, nämlich nicht David, sondern Feognost.«
    Pelagi überlegte kurz.
    »Vater, Sie sind doch schon lange Fährmann. Sie haben gewiss auch den letzten Eremiten zur Insel gefahren?«
    »Zu Ostern, den Mönch David. Und vorher, im letzten Jahr zu Mariä Entschlafung, den Mönch Feognost. Davor Amfilochi, und davor Geronti . . . Oder vielleicht Agapit? Nein, Geronti . . . Viele von unseren Beschützern habe ich hinübergebracht, ich kann mich gar nicht an alle entsinnen.«
    »Dann hat der Abt gewiss jeden neuen Mönch so empfangen, dass er mitgeteilt hat, wer entschlafen ist, und Sie haben es einfach vergessen.«
    »Nichts habe ich vergessen!«, entgegnete Bruder Kleopa entrüstet. » › Dein ist der Himmels das weiß ich noch, das hat er immer gesagt. Aber er hat danach nie einen Namen genannt. Es hat sich immer erst hinterher durch allerlei Anspielungen herausgestellt, wer von den Eremiten seine Seele dem Herrn übergeben hatte. Für uns Lebende sind sie sowieso schon in die ewige Ruhe eingegangen, die Bruderschaft hat die Totenmesse gelesen und sie zur Abdankungskapelle geleitet. Israil hätte es nicht sagen müssen. Aber offenbar spürt er sein Ende nahen, und sein Herz ist milde geworden.«
    Sie fuhren zur Insel, Kleopa am einen Ruder, Pelagi am anderen.
    Der Mönch Israil kam ihnen entgegen, nahm die mitgebrachten Dinge an sich, übergab die seit dem Vortag geschnitzten Rosenkränze und sagte:
    »Und David erbebte das Herz – dunkel.«
    Pelagi schien es, der Abt habe das letzte Wort langsamer und lauter gesprochen und dabei nicht Kleopa, sondern seinen jungen Gehilfen angeblickt, aber wie sollte man sich da sicher sein, bei diesen schmalen Sehschlitzen?
    Kaum hatten sie wieder abgelegt, als der Klosterbruder leise fragte:
    »Was hat er gesagt? Ich kann da keinen rechten Sinn erkennen.«
    » › Und David erbebte das Herz – dunkel ‹ : Das bezieht sich auf den Mönch David. Offenbar hat er es wieder am Herzen. Als David in die Einsiedelei kam, hat der Abt häufig Sprüche aus dem Ersten Buch Samuel gewählt, in dem viel über König David steht. Der Name ist derselbe, also hat man schon ein Wort gespart. Und was war das letzte Wort – › dunkel‹? Na, das soll der Vater Wirtschafter herausfinden, der ist ein kluger Kopf.«
    Soweit der »blaue« Tag. Die weiteren Ereignisse lohnt es sich nicht zu erwähnen – sie sind zu unbedeutend.
    ***
    Der nächste Tag war der »grüne« Tag. Das heißt, er war nicht ganz grün, nicht laubgrün, sondern eher meergrün – der Bluterguss verlor allmählich sein kräftiges Blau, verblasste und schien nun grünlich zu werden.
    Um drei Uhr überreichte Pelagi dem Fährmann zwei Fünfzigkopekenstücke. Sie legten ab.
    Bruder Kleopa übergab dem Abt eine Arznei für den Mönch David. Israil nahm sie entgegen und wartete noch eine Weile. Dann seufzte er tief auf, blickte dem rothaarigen Mönch direkt in die Augen und sagte etwas ganz Merkwürdiges:
    »Wer Ohren hat zu hören, der höre – cucullus.«
    »Was war das?«, fragte Pelagi, als der Mönch sich eilig davonmachte.
    Kleopa zuckte die Schultern.
    » › Wer Ohren hat zu hören, der höre‹ – das ist klar, das ist aus der Apokalypse des Johannes, obwohl ich nicht begreife, warum er das gesagt hat, aber was er zum Schluss noch hinzugefügt hat, das

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