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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sich den Trick mit Wassilisk aus, der über das Wasser wandelt – die im Wasser verborgene Bank, die Kapuze, die raffinierte Lampe, die Grabesstimme, mit der er dem entsetzten Augenzeugen befahl: »Geh hin und sage es allen. Dieser Ort soll veröden« und anderes mehr. Dieser Einfall zeigte zwar eine Wirkung, aber keine ausreichende.
    Da führte Ljampe sein Spektakel auch auf dem Festland auf, wobei es zu einem echten Verbrechen kam – zum Tod der schwangeren Frau des Bakenwärters und später zum Tod des Bakenwärters selbst. Wahnsinn dieser Art hat die Eigenschaft, immer größere Kreise zu ziehen, den Wahnsinnigen zu immer ungeheuerlicheren Taten anzustacheln.
    Wie die Übergriffe auf Aljoscha, Felix Stanislawowitsch und Matwej Benzionowitsch ausgeführt wurden, habe ich Ihnen bereits beschrieben. Ich bin sicher, dass es genau so gewesen ist.
    Ljampe fürchtete jedoch, dass Lentotschkin oder Berditschewski sich von dem fürchterlichen Schock erholen und sich an irgendein Detail erinnern könnten, das zum Verbrecher führt. Daher verfolgte und erschreckte er sie in der Klinik weiterhin. Lentotschkin war in einem erbärmlichen Zustand, bei ihm brauchte es nicht viel. Aber Berditschewski, dessen Gedächtnis und Verstand weitgehend funktionierten, widmete Ljampe besondere Aufmerksamkeit. Er wusste es einzurichten, dass Matwej Benzionowitsch in seinem Cottage untergebracht wurde, sodass Wassilisks Opfer sich unter ständiger Beobachtung des schwarzen Mönchs selbst befand. Und Berditschewski in der Nacht einen Schrecken einzujagen, war für den Physiker mehr als einfach. Er ging nach draußen, stellte sich auf die Stelzen und klopfte im ersten Stock ans Fenster – das war alles.
    Mir fiel ein, dass Ljampes Bett leer war, als ich mich zu Matwej Benzionowitsch ins Schlafzimmer schlich. Ich dachte, er sei im Laboratorium bei der Arbeit, tatsächlich aber befand Ljampe sich zu der Zeit draußen, wo er sich, als Wassilik verkleidet, auf seinen Auftritt vorbereitete. Als ich plötzlich durch das Lüftungsfenster kletterte und auf den Boden sprang, blieb ihm nichts anderes übrig, als mich durch einen Schlag mit seiner Stelze zu betäuben.
    Das wollte ich Ihnen mitteilen, als ich einen Blick ins Zimmer riskierte. Sie haben mich weggeschickt, und ganz zu Recht. Es ist besser so.
    Ich überlegte also weiter. Wo steckte Ljampe? Und warum hatte er seinen Mantel nicht angezogen? Man hatte ihn schon mehrere Tage nicht gesehen – vielleicht seit jener Nacht nicht mehr, in der Alexej Stepanowitsch getötet wurde?
    Das entsetzliche Bild stand mir wieder vor Augen: das Boot, die Silhouette des schwarzen Mönchs, der magere, nackte Körper, der über Bord geworfen wurde. Und plötzlich schoss es mir durch den Kopf: Ein Boot! Ljampe hatte ein Boot!
    Wozu? Vielleicht, um damit heimlich zur Nachbarinsel zu fahren?
    Ich setzte mich an den Tisch und schrieb schnell alle Aussprüche von Vater Israil auf sechs insgesamt. Im vorigen Brief habe ich Ihnen geschrieben, dass ich meine, in diesen seltsamen Worten verbirgt sich eine geheime Botschaft, deren Sinn ich einfach nicht enträtseln kann.
    Hier sind sie, diese kurzen Sätze, jeden Tag einer.
    »Jetzt lassest du deinen Knecht in Frieden dahingehen – Tod.«
    »Dein ist der Himmel – Feognost.«
    »Und David erbebte das Herz – dunkel.«
    »Wer Ohren hat zu hören, der höre – cucullus.«
    »Und der Chrisambereiter mischt das Salböl – non facit.«
    »Gräme dich nicht, er ist gesund – monachum.«
    Das letzte Wort eines jeden Satzes habe ich mit einem Gedankenstrich ab getrennt, weil es immer das Wort ist, das der Abt dem Zitat aus der Heiligen Schrift hinzugefügt hat. Ich überlegte mir, ob es sein könnte, dass die geheime Botschaft immer nur in diesem letzten Wort enthalten ist. Also schrieb ich die letzten Worte jedes Ausspruchs nacheinander auf. Dabei kommt Folgendes heraus:
    »Tod – Feognost – dunkel – cucullus – non facit – monachum.«
    Zuerst dachte ich, das ist Unsinn, doch dann las ich die Zeile ein zweites Mal, ein drittes Mal, und schließlich dämmerte es mir.
    Diese Zeile enthält nicht nur eine, sondern zwei Botschaften, die aus je drei Wörtern bestehen!
    Der Sinn der ersten Botschaft ist vollkommen klar!
    Der Tod von Feognost ist dunkel.
    Das wollte der alte Mönch dem Klostervorsteher mitteilen! Die Umstände, unter denen der Eremit Feognost vor sechs Tagen gestorben ist, sind verdächtig. Außerdem hat er noch ein Zitat aus der Apokalypse

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