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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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diese Kugel gelesen, was alle Ihre Pläne umgeworfen hat, woraufhin Sie Ihr eigenes Spiel zu spielen begonnen haben.« Misstrauisch blickte sie auf die geheimnisvoll funkelnde Kugel. »Was ist denn an dieser Kugel so Besonderes, dass Sie ihretwegen ein solches Risiko eingegangen sind und so viele Menschen zugrunde gerichtet haben?«
    »Alles«, sagte der Mönch, schlug die Kapuze zurück, die nun nicht mehr vonnöten war, und schüttelte seinen Lockenkopf. »In dieser Kugel liegt alles, was ich mir wünsche. Vollkommene Freiheit, Ruhm, Reichtum, Glück! Erstens enthält sie mindestens sechshunderttausend Solotnik des wertvollsten Metalls der Welt, und jeder Solotnik bedeutet einen Monat sorgenfreies Leben. Zweitens, und das ist die Hauptsache, ist mir dank diesem schwachsinnigen Knirps ein großartiges Projekt eingefallen, eine wunderbare Idee! Außer mir wird das niemand verstehen, niemand wird seine Bedeutung erkennen. Als man mich von der Universität jagte, dachte ich schon, es sei alles vorbei. Aber nein, hier ist sie, meine Zukunft.« Er umriss die Höhle mit einer weit ausholenden Geste. »Ich brauche keinen akademischen Grad und auch keine langjährige Assistentenzeit bei einer Provinzkoryphäe. Ich werde mein eigenes Laboratorium einrichten, in der Schweiz. Ich werde die Emanationstheorie selbst ausarbeiten! Niemand hat mir etwas zu sagen, ich muss niemanden um Geld bitten! Die Welt wird Lentotschkin kennen lernen!« Alexej Stepanowitsch beugte sich vor und strich liebevoll über die schillernde Oberfläche der Kugel. »Schade, dass ich nur so wenig Platin-Iridium abschürfen konnte. Aber das macht nichts, für meine Zwecke reicht auch das, was da ist.«
    Er drehte sich zu Polina Andrejewna um, und seine eingefallenen Wangen, auf denen keine Spur der früheren Grübchen mehr zu erkennen war, verzogen sich zu einer Art Lächeln.
    »Sie haben mich zu früh aufgespürt, Schwester. Dafür kann ich mich wenigstens aussprechen, sonst habe ich immer nur mit mir selbst geredet. So dauert es wahrhaftig nicht lange, bis einem das Gehirn weich wird. Sie sind eine Person von scharfem Verstand, Sie werden meinen Plan zu würdigen wissen. Es ist doch keine schlechte Idee, oder? Besonders mit der Nacktheit wie im Paradies, was? Ich musste mich doch irgendwie auf Kanaan einnisten, bis ich alles vorbereitet hatte. Tagsüber ruhe ich mich im Garten Eden aus, esse Ananas (die verfluchten Dinger hängen mir schon zum Hals heraus), und nachts ziehe ich die Kutte unter dem Gebüsch hervor, streife als schwarzer Mönch auf der Insel umher und erschrecke die Bewohner. Die Hauptsache aber – niemand hat Verdacht geschöpft. Ljampe und ich, wir waren ein prächtiges Paar, beide als Wassilisk verkleidet – die Neugierigen und die Beter haben wir sämtlich vom Ufer verscheucht. Ach, einen Monat noch, dann hätte ich nicht fünf, sondern fünfzig oder hundert Pfund abgefeilt. Damit hätte ich nicht nur ein Laboratorium, sondern ein ganzes Forschungszentrum einrichten können. Wie ein natürlicher Spalter funktioniert, ist bekannt und durch Ljampes Experimente bestätigt«, sagte er halb laut mehr zu sich selbst als zu Polina Andrejewna. »Jetzt kann man versuchen, einen künstlichen Spalter herzustellen, für die erste Zeit reicht das Geld, und dort werden sich ein paar Geldsäcke finden, die etwas springen lassen . . .«
    »Was ist das, ein Spalter?«, fragte die Lissizyna ganz Ohr.
    Alexej Stepanowitsch fuhr zusammen und bedachte sie mit einem weiteren trüben Lächeln.
    »Das verstehen Sie sowieso nicht. Sie sollten besser meinem Plan die gebührende Anerkennung zollen. Habe ich das nicht alles wunderbar ausgeheckt? Da sitzt ein friedlicher Idiot im Glashaus, nackt wie die Engel im Himmel, er spricht in Rätseln und lockt die dummen Karauschen zu seiner Angel in die abgelegene Hütte. Und schwupps zappeln sie am Haken, dann einen Schlag vor die Stirn und ab in den Eimer. Ich weiß, dass Sie, Mademoiselle Pelagia, mich noch nie ausstehen konnten, aber geben Sie zu: Das habe ich mir prächtig ausgedacht!«
    »Ja, sehr erfinderisch.« Polina Andrejewna wollte das gar nicht bestreiten. »Aber auch sehr unbarmherzig. Und gerade, weil Sie so grausam sind, habe ich Sie nie gemocht. Es hat mir schon nicht gefallen, auf welch gemeine Weise Sie sich für die Kränkung an dem Prorektor gerächt haben.«
    Alexej Stepanowitsch ging in der Höhle auf und ab und schüttelte seine Finger aus, die von der Arbeit ermüdet waren.
    »Ja, natürlich.

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