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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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nichts mehr davon, gab schließlich den Ausschlag. Mit einem letzten Funken von Entsagung erklärte Omi jedoch heroisch: »Ich will aber nichts von dem haben, was du dafür eintauschst.«
    »Na, ich weiß ja nicht, wie sich der Karl dazu stellt. Letzten Endes gehört ihm doch die ganze Wäsche.«
    Opi fand es völlig in Ordnung, daß der Erlös redlich geteilt wurde, und Omi hatte nun auch nichts mehr einzuwenden. Die Bargeldreserven, normalerweise ein recht gesundes Polster, schwanden dahin. Ein Pfund Zucker kostete 120 Mark, Mehl 80 und Butter sogar 150 Mark, aber nur ein halbes Pfund. Außerdem standen Omi und Opi nur Normalverbraucher-Karten zu, denn Opi war inzwischen 65 und pensioniert. Geld bekam er aber noch nicht, die Verwaltung verwaltete derzeit noch Arbeitskräfte und keine Pensionäre. Omi äußerte deshalb mehrmals die Absicht, sich dem Heer der Berliner Trümmerfrauen anzuschließen, ließ sich aber nur allzu gern wieder davon abbringen.
    »Ich werde uns schon alle irgendwie durchfüttern«, versicherte Mami, »schließlich haben wir den Krieg nicht deshalb überstanden, um jetzt im Frieden draufzugehen!«
23
    Irgendwann im Herbst des bedeutungsvollen Jahres 1945 verkündete die noch immer recht zuverlässige Mund-zu-Mund-Propaganda, daß die Schulen wieder ihre Pforten öffnen würden. Ein paar Tage später wurde es auch amtlich. Danach hatten sich alle schulpflichtigen Kinder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes bei ihren einstigen, künftigen oder sonstwie zuständigen Schulen einzufinden und alles weitere zu erfragen.
    Wie sich diese Anordnung im Stadtzentrum verwirklichen ließ, wo alles mehr oder weniger in Trümmern lag, weiß ich nicht. Bei uns in Zehlendorf verlief der Auftrieb verhältnismäßig reibungslos. Ich hatte mich nun doch entschlossen, die Gertraudenschule in Dahlem zu besuchen, obwohl mir Lehrer und Schüler vom Goethe-Lyzeum recht gut gefallen hatten. Aber die Fahrerei nach Schmargendorf war zu umständlich. Ich hätte den Bus benutzen müssen, und er fuhr eher nach Gutdünken als nach Fahrplan. Außerdem hatte ich inzwischen Irene, Uschi und all die anderen wiedergetroffen, mit denen zusammen ich in Ostpreußen gewesen war, und sie wollten ausnahmslos in die Gertraudenschule gehen. So siegte auch bei mir der Herdentrieb.
    Unsere Schule hatte den Krieg unbeschadet überstanden, lediglich die Fassade war ein bißchen angekratzt. Deshalb hatten auch die Amerikaner das Gebäude kurzerhand beschlagnahmt, denn ihre eigenen Kinder mußten schließlich ebenfalls etwas lernen und brauchten eine angemessene Unterkunft. Es wurde zwar gemunkelt, daß die Amis am Rande des Grunewalds den Bau einer eigenen Bildungsstätte planten; aber die abkommandierten deutschen Maurer werkelten zur Zeit noch emsig an Snack-Bars herum. Die Schule kam erst später dran.
    Aber wenigstens hatte man uns in unserer Penne ein winziges Zimmerchen zur Verfügung gestellt, in dem die schon reichlich bejahrte Schulsekretärin ihres Amtes waltete. Diesmal war es die echte! Von ihr erfuhr ich, daß den derzeit heimatlosen Getraudenschülerinnen im Luisen-Stift Asyl gewährt worden war. Selbiges läge in der Podbielskiallee, und ich hätte mich am kommenden Montag um acht Uhr dort einzufinden.
    Das Luisen-Stift erwies sich als quadratischer Kasten, der von einem hohen Gitterzaun umgeben war, und der Fama zufolge früher ausschließlich Klosterschülerinnen beherbergt hatte. Das Regiment sollten angeblich Nonnen geführt haben – eine Behauptung, deren Richtigkeit ich nie nachgeprüft habe –, und das ganze Interieur wirkte reichlich spartanisch. Es gab nicht einmal eine Zentralheizung – sie hätte sich in jenen Jahren ohnedies als überflüssig erwiesen. Dafür stand in jedem Klassenzimmer ein mittelalterlich anmutender Eisenofen, dessen Rohr sich in abenteuerlichen Windungen durch den ganzen Raum schlängelte, bevor es irgendwo in der Mauer verschwand. Später hatten wir Gelegenheit genug, diese antiquierte Installation schätzen zu lernen.
    Der Schulhof grenzte direkt an den Botanischen Garten. Allerdings war uns der Eintritt durch besagten Gitterzaun verwehrt. Rein zufällig entdeckten wir jedoch eine kleine Tür, deren verrostetes Schloß keinen nennenswerten Widerstand bot, und so wurde der Botanische Garten später Treffpunkt unserer Klasse, wenn wir mal wieder irgend etwas Bedeutungsvolles zu beraten hatten.
    Als ich mich an meinem ersten Schultag im Luisen-Stift einfand, quirlten Hunderte von Schülerinnen

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