Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
Leiche beugte, hatte Hazen plötzlich das Gefühl, dass jemand hinter ihm stand. Er fuhr herum. Und tatsächlich: Pendergast, er war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
McHyde sah ebenfalls hoch. »Sir, Entschuldigung, wir sind gerade…«
»Schon in Ordnung«, sagte Hazen. »Er ist vom FBI. Unterstützt mich bei meinen Ermittlungen. Special Agent Pendergast.«
»Aha«, sagte McHyde plötzlich lammfromm. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich auf dem Tonband zu identifizieren, Special Agent Pendergast? Und legen Sie bitte die bei Autopsien übliche Schutzkleidung an. Sie finden alles da drüben.«
»Natürlich.«
Hazen fragte sich, wie es Pendergast überhaupt geschafft hatte, ohne Auto nach Garden City zu kommen. Aber er war froh, ihn dazuhaben. Es war ihm längst aufgegangen, dass es ganz nützlich sein könnte, seine Erfahrungen zu nutzen. Solange er sich an die Spielregeln hielt, versteht sich.
Als Pendergast zurückkam, schnippelte McHyde am Gesicht der Toten herum. Er schnitt tief in die Haut, schob die darunter liegende gummiartige Schicht nach hinten und klammerte sie fest. Hazen starrte auf die bloßgelegten Muskelstränge, die weißen Sehnen und die dünne Fettschicht. Widerlich. Die Tote war ohne Nase, Lippen und Ohren schon vorher kein erfreulicher Anblick gewesen, aber jetzt…
»Darf ich?«, fragte Pendergast.
Der Gerichtsmediziner trat ein Stück zurück, Pendergast beugte sich tief über das übel riechende, geschwollene Gesicht. Da, wo die Nase und die Lippen gewesen waren, gähnten blutverkrustete Höhlen. Das blond gefärbte Haar war wie ein Skalp nach hinten geklappt worden, man sah deutlich den dunklen Haaransatz.
Pendergast richtete sich auf. »Offenbar wurden die Amputationen mit einem nur bedingt geeigneten, stumpfen Gegenstand vorgenommen.«
McHyde hob fragend die Augenbrauen.
»Ich würde empfehlen, eine Fotoserie zu schießen und die Vergrößerungen unter dem Mikroskop zu betrachten. Wie Sie sicher bemerkt haben, wurde ein Teil der Kopfhaut abgerissen.«
McHyde stutzte, dann räusperte er sich und sagte sichtlich beeindruckt: »Richtig. Sehr gut.«
Hazen grinste verstohlen. Pendergast führte den Doc vor. Aber wenn der Agent mit seiner Vermutung Recht hatte…Es lag ihm auf der Zunge, Pendergast zu fragen, welche Art von »stumpfem Gegenstand« seiner Meinung nach in Frage komme. Aber da spürte er schon wieder das saure Würgen in der Kehle und flüchtete eilends in selige Erinnerungen an Jayne Mansfield.
»Irgendwelche Erkenntnisse, wo Lippen, Ohren und Nase geblieben sind?«, fragte Pendergast.
»Die Polizei hat nichts finden können«, antwortete McHyde mit einem leicht süffisanten Unterton.
Hazen ärgerte sich über den versteckten Vorwurf. Der junge Gerichtsmediziner hatte dauernd was zu meckern, an Hazens Polizeiarbeit im Allgemeinen und an seinem Ergebnisbericht im Besonderen. Dabei waren es die Trooper gewesen, die alle brauchbaren Spuren verwischt hatten.
Während McHyde weiter schnippelte, ging Pendergast um den Rollwagen herum und betrachtete angelegentlich die der Leiche entnommenen Organe – nüchtern und distanziert, als wären es Ausstellungsstücke im Museum.
Dann deutete er auf das Pappschild an Sheila Sweggs Zeh. »Ich sehe, Sie haben sie bereits identifiziert.«
»Ja«, knurrte Hazen. »Eine Rumtreiberin aus Oklahoma. Wir haben ihren Wagen gefunden, eine von diesen koreanischen Blechkisten, die Biogas schlucken. Stand versteckt im Mais, fünf Meilen auf der anderen Seite von Medicine Creek.«
»Irgendeine Ahnung, was sie dort wollte?«
»Wir haben im Kofferraum Schaufeln und Spitzhacken gefunden. Vermutlich war sie auf Andenkenjagd. Die Typen treiben sich an jedem Hügel rum, unter dem ein Indianergrab liegen könnte. Suchen nach alten Kultgegenständen.«
»Und die findet man hier?«
»In unserer Gegend kaum. Aber, na ja, manche Leute leben davon. Reisen von Staat zu Staat und buddeln nach Indianertrophäen,die sie auf Flohmärkten verhökern können. Grabräuber, würde ich sagen, aber das Pack kennt eben keine Skrupel.«
»Ist die Tote vorbestraft?«
Hazen winkte ab. »Kleinkram. Kreditkartenbetrug, Verkauf von gefälschten Fundstücken, Versicherungsschwindel, typische Kleinkriminalität.«
»Respekt, Sheriff, Sie haben offensichtlich eine Menge herausbekommen.«
Hazen nickte geschmeichelt.
»Tja«, warf der Gerichtsmediziner ein, »wir wären dann eigentlich fertig. Haben Sie noch Fragen? Oder sind Sie an etwas Speziellem
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