Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
verstellen versucht hätte.«
D’Agosta dachte kurz darüber nach. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
»Ich sah keinen Grund, Sie mit alldem zu belasten, ehe es notwendig war. Als ich diese Haare fand, war mir völlig klar, dass Diogenes auch die anderen Tatorte mit gefälschten Indizien gespickt haben musste. Ich bin mir sicher, dass er während meiner Rekonvaleszenz in Italien alles erforderliche Beweismaterial gesammelt hat, es meinem Körper entnommen hat, darunter auch mein Blut. Es war nur eine Frage der Zeit, bis mich die Polizei mit den Morden in Verbindung bringen würde. Ich hatte allerdings gehofft, ein wenig mehr Zeit zu haben. Hayward hat vorzügliche Arbeit geleistet.«
»Das ist noch nicht alles. Laura hat von mir verlangt, dass ich Sie der Polizei ausliefere. Ich habe das abgelehnt und bin gegangen. Sie hat einen Haftbefehl gegen Sie erwirkt. Sie können nicht hier bleiben.«
»Ganz im Gegenteil, Vincent, ich muss hier bleiben. Nur hier verfüge ich über die Hilfsmittel, die ich benötige. Es ist ein bisschen so wie mit dem entwendeten Brief in der Geschichte von Poe – man wird mich überall suchen, nur nicht zu Hause. Die Polizeipräsenz ist eine bloße Formsache.«
D’Agosta starrte ihn an. »Sie haben also gewusst, dass Diogenes Laura Hayward nicht ins Visier nehmen wird. Weil sie diejenige ist, die im Mordfall Duchamps ermittelt. Er setzt darauf, dass sie Sie verdächtigt.«
»Ganz genau. Aber nun ziehen Sie sich einmal einen Stuhl heran, ich möchte Ihnen zeigen, woran ich gerade arbeite.« Pendergast deutete auf die vier Laptops. »Die Rechner hier haben sich parasitär in die öffentlichen Verkehrsüberwachungskameras eingeschaltet, außerdem noch in einige größere private Systeme – Geldautomaten und Banken, zum Beispiel.« Er zeigte auf einen der Bildschirme, der im Moment in ein Dutzend kleine Fenster unterteilt war. In jedem Fenster flitzten schwarz-weiße Videoaufnahmen von Bürgersteigen, Straßenkreuzungen und Gebührenstationen in schnellem Rücklauf vorbei.
»Warum?«
»Weil ich überzeugt bin, dass Diogenes’ letztes Verbrechen in oder um Manhattan herum stattfinden wird. Und man kann sich heutzutage in einer Stadt wie New York nicht mehr bewegen, ohne dass man in jeder Stunde Dutzende Male fotografiert, auf Band genommen oder auf andere Weise überwacht wird.«
»Aber Diogenes hat sich doch getarnt.«
»Wodurch sich die meisten täuschen lassen, das stimmt. Dennoch: Man kann zwar sein Äußeres tarnen, aber man kann nicht alles verschleiern – die Manierismen, die Art, wie man geht, nicht einmal die Art, wie man mit den Augen blinzelt. Diogenes und ich sind uns körperlich sehr ähnlich. Ich habe mich selbst auf Video aufgenommen, und nun lasse ich die Bilderkennungs- und Mustererkennungs-Algorithmen gegen diese Videos laufen.« Pendergast wies mit einer Handbewegung auf einen anderen Laptop. »Wie Sie sehen, konzentriere ich mich dabei vor allem auf Bilder aus der Nähe des Dakota-Gebäudes und von Kreuzungen um das Haus am Riverside Drive. Wir wissen, dass Diogenes im Haus gewesen ist, und vermutlich ist er auch hier in der Nähe gewesen. Wenn wir ihn ausfindig machen können, kann ich einen Videobildausdruck erhalten, Diogenes von diesem Punkt aus rückwärts und vorwärts visuell verfolgen und ein Schema in seinen Bewegungen ausmachen.«
»Brauchen Sie dafür denn nicht mehr Rechnerkapazität als die einer kleinen Universität?«
»Deswegen der Computerraum.« Pendergast streckte den Arm aus und öffnete eine bisher geschlossene Tür. Dahinter standen auf Regalen von der Decke bis zum Boden Blade-Server und RAID-Arrays.
D’Agosta stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Verstehen Sie denn etwas von diesem ganzen Kram?«
»Nein. Aber ich weiß, wie man damit umgeht.« Pendergast drehte sich um und sah ihn an. Seine Haut war blasser, als D’Agosta sie je gesehen hatte, aber seine Augen blitzten hell und gefährlich. Pendergast besaß die manische Energie, den trügerischen zweiten Wind von jemandem, der seit mehreren Tagen nicht mehr geschlafen hatte. »Diogenes ist da draußen, Vincent. Er lauert irgendwo in diesen zahllosen Datenströmen. Aber damit er sein größtes Verbrechen begehen kann, muss er auftauchen. Und das ist meine Chance – meine letzte, meine einzige Chance –, ihn zu stoppen. Das Zimmer hier ist der einzige Ort, an dem ich Zugang zu jener Technik habe, die dies bewerkstelligen kann.« Weiteres Geklapper von Schlüsseln. »Der
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