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Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd

Titel: Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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schönem, handgeschöpftem Leinen und oben auf der Seite war ein Wappen eingeprägt: ein lidloses Auge über zwei Monden und einem kauernden Löwen. Darunter stand ein Datum, geschrieben in tabakfarbener Tinte mit einem Füllfederhalter oder einer Schreibfeder: 28. Januar.
    D’Agosta erkannte, dass es sich bei dem Briefbogen um den gleichen handelte wie bei dem, den Pendergast einige Monate zuvor in der Villa am Riverside Drive erhalten hatte. Anders als damals, stand auf diesem allerdings mehr als nur ein Datum. Sein Blick fiel auf den Brieftext:
     
    Sie ist sehr temperamentvoll, Bruder. Ich verstehe, warum sie Dir gefällt.
    Genieße dieses Andenken als Zeichen, wie ernst es mir mit meinem Anspruch ist: eine Locke ihres hübschen Haars. Genieß es zudem als Erinnerung an ihr Ableben. Wenn Du darüber hinwegstreichst, riechst Du die liebliche Luft Capraias.
    Natürlich kann das alles Lüge sein. Die Locke könnte auch jemand anderem gehören. Suche in Deinem Herzen nach der Wahrheit.
    Frater, ave atque vale.
     
    »O mein…«, begann D’Agosta, hielt jedoch inne, als er Pendergast einen Blick zuwarf. Der Agent hockte auf dem Boden und strich zärtlich über die Locke. In seinem Gesicht stand ein solcher Ausdruck, dass sich D’Agosta einfach abwenden musste. »Das kann gelogen sein«, sagte er schließlich. »Ihr Bruder würde nicht zum ersten Mal lügen.«
    Pendergast gab keine Antwort. Eine kurze, schreckliche Stille entstand.
    »Ich befrage mal den Boten«, sagte D’Agosta, weil er sich nicht traute, Pendergast anzuschauen. Nachdem er den Raum verlassen hatte, ging er den Korridor entlang zum Fahrstuhl. Dort wartete der Bote unter Martyns Bewachung.
    »New York Police Department«, sagte D’Agosta knapp und zeigte seine Dienstmarke. Alles lief verlangsamt ab, wie in einem Albtraum. Er kam sich merkwürdig schwerfällig vor, als könne er kaum die Gliedmaßen bewegen. Fühlte man sich so, wenn man unter Schock stand?
    Der Bote nickte.
    »Wer hat Ihnen das Paket gegeben?«
    »Ich habe es aus einem Taxi herausgereicht bekommen.«
    »Wie hat der Fahrgast ausgesehen?«
    »Es hat nur der Fahrer im Taxi gesessen. Kein Fahrgast.«
    »Was für eine Art Fahrzeug, eine genaue Beschreibung bitte.«
    »Ein typisches gelbes Taxi. Aus der Innenstadt.«
    »Haben Sie sich den Namen oder das Nummerschild merken können?« Noch während er diese Frage stellte, war D’Agosta klar, dass es keine Rolle spielte, ob der junge Mann das eine oder andere mitbekommen hatte; denn Diogenes hatte seine Spur zweifellos längst verwischt.
    Der Bote schüttelte den Kopf.
    »Wie hat man Sie bezahlt?«
    »Der Fahrer hat mir fünfzig Dollar gegeben. Er hat gesagt, er habe die Anweisung erhalten, einen Boten zu finden, der das Paket einem Dr. Pendergast in der 72nd Street West, Hausnummer 1, zustellt. Persönlich, wenn möglich. Ich solle nur mit Dr. Pendergast oder dem Portier sprechen.«
    »Sehr gut.« D’Agosta notierte sich Namen und Arbeitgeber des Kuriers. Dann nahm er Martyn zur Seite und bat ihn, dafür zu sorgen, dass die Polizisten den Boten nicht ansprachen, wenn dieser das Gebäude verließ. D’Agosta empfand noch immer diese merkwürdige Schwere. Er ging über den Flur zurück und betrat die kleine Wohnung.
    Pendergast saß immer noch mit gebeugtem Oberkörper auf dem Fußboden, die Haarlocke vor sich. Seine Hände lagen auf seinen Knien, die beiden Daumen formten zusammen mit den Mittelfingern einen kleinen Kreis. Der leidgeprüfte, kummervolle Ausdruck in seinem Gesicht war verschwunden und absoluter Leere gewichen. Er sah hinüber zu D’Agosta, als wäre dieser Millionen Meilen weit entfernt.
    Vielleicht ist er es ja auch, dachte D’Agosta. Vielleicht meditiert er oder so etwas. Oder vielleicht versucht er auch nur nicht den Verstand zu verlieren.
    »Der Bote hat nichts gewusst«, sagte er so sanft, wie er nur konnte. »Diogenes hat seine Spur gut verwischt.«
    Pendergast ging gar nicht darauf ein. Er saß nach wie vor regungslos da. Sein Gesicht war immer noch grau, hatte allen Glanz verloren.
    »Wie ist Diogenes bloß hinter die Geschichte mit Viola gekommen?«, platzte D’Agosta heraus.
    Pendergasts Antwort klang fast roboterhaft: »In der ersten Woche, als ich mich in Diogenes’ Obhut befand, habe ich phantasiert. War im Delirium. Möglicherweise habe ich ihren Namen erwähnt. Diogenes merkt alles – absolut alles. Ihm entgeht nichts.«
    D’Agosta sank auf einen Stuhl in der Nähe. Im Augenblick war es ihm sogar

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