Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
Bruder, Viola; er gibt mir Kraft, er gibt mir einen Lebenssinn, er gibt mir Leben. Er ist meine Erlösung.«
»Sie und Ihr Bruder können zur Hölle fahren!«
»Ah, liebe Viola. Wissen Sie es denn nicht? Das hier ist die Hölle. Nur dass Sie kurz davorstehen, daraus befreit zu werden.«
Viola sprang vom Bett auf und stürzte sich mit erhobener Scherbe auf Diogenes, aber im Nu wurde sie auf den Fußboden gedrückt. Irgendwie kam Diogenes auf ihr zu liegen, sein Gesicht Zentimeter von ihrem entfernt, sein süßlich nach Heu riechender Atem auf ihrer Haut.
»Lebe wohl, mein lebhaftes kleines Äffchen«, murmelte er und küsste sie zärtlich auf den Mund.
Und dann, in einer raschen, fledermausartigen Bewegung erhob er sich und war fort. Die Tür schlug hinter ihm zu. Viola warf sich mit der Schulter dagegen, aber es war zu spät: Sie hörte, wie geölter Stahl in Stahl glitt, und die Tür fühlte sich so kalt und unnachgiebig an wie ein Banktresor.
47
D’Agosta brauchte keinen Tag, um über Haywards Angebot nachzudenken; er brauchte nicht einmal zehn Minuten. Er schritt schnurstracks aus dem Gebäude, zog das Handy hervor, das Pendergast ihm gegeben hatte, und bat um eine Notsitzung.
Ein Viertelstunde später, als er an der Ecke Broadway und 72nd Street aus einem Taxi stieg, stand ihm die Erinnerung an seine Begegnung mit Laura immer noch deutlich vor Augen. Aber er sagte sich, dass er jetzt nicht daran denken durfte. Er musste seine persönlichen Gefühle begraben, bis die Krise vorüber war – vorausgesetzt natürlich, sie würde jemals vorüber sein.
Er ging auf der 72nd Richtung Osten. Vor ihm in der Ferne war der Central Park zu erkennen, die blätterlosen Bäume sahen in der Januarkühle wie Skelette aus. An der nächsten Kreuzung blieb er stehen und zog das Handy erneut hervor. Rufen Sie mich nochmals an, wenn Sie die Ecke Columbus und 72nd erreichen, hatte Pendergast gesagt. D’Agosta befand sich nur einen Block von Pendergasts Wohnung im Dakota entfernt. War er vielleicht sogar zu Hause? Das kam ihm unter den Umständen wie eine Ungeheuerlichkeit vor.
Er klappte das Handy auf und wählte die Nummer.
»Ja?«, meldete sich Pendergasts Stimme. Im Hintergrund tippte jemand auf einer Computertastatur.
»Ich stehe an der Ecke.«
»Sehr gut. Begeben Sie sich zur Hausnummer 24 West und achten Sie darauf, dass niemand Sie beobachtet. Das Haus ist ein Büro- und Wohngebäude. Der Eingang ist üblicherweise geschlossen, aber die Dame am Empfang lässt gewohnheitsmäßig jeden rein, der normal aussieht. Gehen Sie die Treppe ins Kellergeschoss hinunter und suchen Sie die Tür mit der Aufschrift B-14. Vergewissern Sie sich, dass Ihnen niemand gefolgt ist. Dann anklopfen, siebenmal. Haben Sie das?«
»Ja.«
Die Verbindung war tot.
Nachdem D’Agosta das Handy weggesteckt hatte, überquerte er die Straße und ging weiter in Richtung Park. Weiter vorn, an der nächsten Ecke, konnte er das mit Zinnen versehene, sandfarbene Dakota-Gebäude ausmachen. Es sah aus, als wäre es einem Comic von Charles Addams entsprungen. Neben der riesigen neugotischen Eingangstür befand sich das Häuschen des Doormans. In der Nähe schlenderten zwei Polizisten in Uniform herum, entlang der Central Park West parkten drei Streifenwagen.
Es sah ganz danach aus, als wäre die Kavallerie schon vor Ort.
D’Agosta verlangsamte seinen Schritt, hielt sich so nahe wie möglich an den Häuserfassaden und behielt die Polizisten und die Streifenwagen dabei ständig im Auge.
Beim angegebenen Haus handelte es sich um ein großes Gebäude aus braunem Backstein, etwa in der Mitte des Blocks. D’Agosta sah sich nochmals um, erblickte niemanden, der ihm verdächtig vorkam, drückte auf die Klingel, wurde eingelassen und schlüpfte rasch durch die Tür.
Die Eingangshalle war klein und dunkel, die Wände mit grauem Marmor von zweifelhaftem Aussehen verkleidet. D’Agosta nickte der Empfangsdame zu und schlenderte die Treppe im rückwärtigen Teil der Eingangshalle hinunter. Vor ihm öffnete sich ein schlichter Kellergang mit Metalltüren, die in regelmäßigen Abständen in die Schlackenbetonwände eingesetzt waren. Es dauerte keine Minute, dann hatte er die Tür mit der Aufschrift B-14 gefunden. Er blickte sich noch einmal um, dann klopfte er, wie angewiesen, siebenmal.
Einen Augenblick lang war es still. Dann erklang von der anderen Seite der Tür ein Geräusch, als werde ein Riegel zurückgeschoben. Die Tür ging auf, und ein Mann in
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