Pendergast 06 - Dark Secret - Mörderische Jagd
für sich selbst – in psychischer oder körperlicher Hinsicht – oder für die Gesellschaft dar.«
»Genau. Im ersten Fall müssen in der Regel Suizidgedanken oder ein tatsächlicher Selbstmordversuch vorliegen, der durch ein ärztliches Gutachten bestätigt sein muss. Für den Fall, dass eine Person eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, ist es normalerweise erforderlich, dass die Person in polizeilichen Gewahrsam genommen wurde.«
»Sie waren ja wirklich sehr fleißig, Edward«, sagte Tisander. »Und dann, nach der Erklärung der Unzurechnungsfähigkeit, muss ein psychiatrisches Gutachten vorliegen, das die Zwangseinweisung empfiehlt.«
»Alles ganz normale Verfahren. Nun, Edward, es ist schon nach acht, und es nicht mehr lange hin bis zum Zapfenstreich, wenn Sie also …«
Smithback zog eines der Bücher aus dem Stapel. »Ich bin gleich fertig.«
Tisander erhob sich und ordnete diverse Papiere auf seinem Schreibtisch. »wenn Sie’s rasch machen.« Er nickte kaum wahrnehmbar, und ein Pfleger tauchte aus dem Schatten neben der Tür auf.
Smithback zog hastig ein Blatt Papier aus dem Buch und reichte es über den Schreibtisch. »Ich habe einmal jene Dokumente aufgelistet, die sich, laut Gesetz, in meiner Akte befinden müssen.«
Tisander nahm die Liste entgegen und überflog sie mit mürrischer Miene. »Ein richterlicher Beschluss. Ein Bericht über den Selbstmordversuch – unterschrieben von einem Arzt – oder ein Bericht über die Inhaftierung. Ein psychiatrisches Gutachten«, las er vor. »Ich habe keinen Zweifel, dass wir das alles hier in der Klinik haben. Aber jetzt, Edward, ist es an der Zeit, dass Sie wieder auf Ihr Zimmer gehen.«
Der Pfleger rückte vor.
»Nur noch eines«, sagte Smithback.
»Auf Wiedersehen.« Ein Anflug der Verärgerung hatte sich in Tisanders volltönende Stimme geschlichen.
»Eine Frage. Das psychiatrische Gutachten, das die Akte enthalten muss – wer erstellt das eigentlich?«
»Wir machen das. Immer. Sie erinnern sich doch sicherlich an unser Gespräch und die Tests, denen Sie sich bei Ihrer Einweisung unterzogen haben, nicht wahr, Edward?«
»Und da haben Sie die ganze Chose vermasselt, Tisander.« Smithback ließ das schwere Buch zurück auf den Schreibtisch fallen. »Denn hier steht…«
»Jonathan?«
Der Pfleger – ein stämmiger Bursche – tauchte neben Smithback auf. »Hier entlang, Mr Jones.«
»… hier steht, dass das psychiatrische Gutachten, laut Gesetz«, fuhr Smithback mit lauter Stimme fort, »nicht von jemandem erstellt werden darf, der zum Personal der Aufnahmeklinik gehört.«
»Blödsinn. Bringen Sie Mr Jones auf sein Zimmer, Jonathan.«
»Aber es stimmt«, rief Smithback, als der Pfleger ihn am Arm fasste. »In den Fünfzigern ist einmal ein junger Mann von seiner Familie eingewiesen worden – in betrügerischer Absprache mit der Anstalt. Die Familienangehörigen haben sich dann sein Erbe unter den Nagel gerissen. Kurz danach hat man ein Gesetz erlassen, das vorschreibt, dass das Gutachten von einem unabhängigen Psychiater erstellt werden muss. Das können Sie alles nachlesen. Steht auf Seite 337, Romanski gegen Reynauld State Hospital.«
»Hier entlang, Mr Jones«, sagte der Pfleger und stieß ihn auf dem Perserteppich unsanft vor sich her.
Smithback hielt dagegen. »Tisander, sobald ich aus diesem Schuppen hier raus bin, verklage ich River Oaks und Sie persönlich. Wenn Sie das unabhängige Gutachten nicht vorlegen können, verlieren Sie den Prozess – und das wird Sie teuer zu stehen kommen.«
»Gute Nacht, Edward.«
»Ich mache diese Sache zur Mission meines Lebens. Ich werde Sie hetzen, wie die Furien Orest gehetzt haben. Ich werde Ihnen alles nehmen, Ihren Job, Ihr guten Ruf, den ganzen Kasten hier. Wie Sie ja wissen, bin ich reich wie Krösus. Schauen Sie in meiner Akte nach, da steht’s. Ich weiß genau, dass Sie diese Kurve geschnitten haben! Es gibt kein unabhängiges Gutachten, und das wissen Sie auch!«
Smithback merkte, dass der Pfleger ihn aus dem Zimmer bugsierte.
»Schließen Sie bitte die Tür hinter sich, Jonathan, ja?«, sagte Dr. Tisander.
»Tisander?« Smithback hob die Stimme. »Können Sie es sich überhaupt leisten, diesen Fehler zu begehen? Sie werden den ganzen Laden hier verlieren, Sie Huren…!«
Jonathan schloss die Tür. »Kommen Sie, Jones«, sagte er und schubste Smithback sanft den Flur entlang. »Lassen Sie’s gut sein.«
»Nehmen Sie die Hände weg!«, rief Smithback und wehrte
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