Pendergast 09 - Cult - Spiel der Toten
eine merkwürdige Angelegenheit.«
»Der aus dem Grab von Colin Fearing? Der, äh, beschädigte?«
Bertin nickte. »Es hat etwas gedauert, bis ich es erkannt habe. Aber die Anordnung der Totenköpfe und der Gebeine auf dem Deckel …« Er schüttelte den Kopf. »Die Anordnung ist ungewöhnlich, sie widerspricht sich selbst. Sie müsste eigentlich dem ›Wahren Muster‹ folgen, zwei zu fünf. Ein feiner Unterschied, aber dennoch ein Unterschied.« Er schnippte abfällig mit den Fingern. »Eine plumpe, sonderbare Sache.«
»Ich habe das graue Puder, das sich im Sarg befand, analysiert. Es scheint sich schlicht um Holzasche zu handeln.«
Noch ein abfälliges Schnippen. »Sehen Sie? Es passt nicht zu dem anderen Obeah von Charrière und dem Ville. Die dort verwendeten Zauberfetische sind unendlich viel übler. Warum dieser eine Fetisch nicht ins Muster passt, ist mir ein Rätsel.«
»Vielen Dank,
maître
.« Pendergast richtete sich auf, ein nachdenklicher Ausdruck trat in sein Gesicht.
»Gern geschehen. Und nun
adieu
, mein lieber Aloysius,
adieu!
Und vergessen Sie nicht: in sechs Unzen Sarsaparille auflösen, zweimal täglich.« Bertin tippte mit dem Knauf seines Gehstocks gegen das Dach des Rolls. »Sie dürfen losfahren, guter Mann! Und geben Sie den Pferdchen die Sporen, wenn ich bitten darf!«
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56
Der Multimedia-Services-Raum im Polizeihochhaus erinnerte D’Agosta an den Kontrollraum eines U-Boots: heiß, vollgestopft mit Elektronik und erfüllt von menschlichen Ausdünstungen. Mindestens zwanzig Personen drängten sich in dem niedrigen Raum, hockten vor Terminals und Workstations. Weil irgendjemand gerade ein frühes Mittagessen einnahm, hing der durchdringende Geruch von Curry in der Luft.
D’Agosta blieb stehen und blickte sich um. Die größte Gruppe konzentrierte sich im rückwärtigen Teil, dort, wo John Loader, Leiter der forensischen Abteilung, sein Kabuff hatte. D’Agosta schlenderte darauf zu, und sein Gefühl der Frustration nahm noch zu, als er sah, dass Chislett bereits eingetroffen war. Der stellvertretende Bezirksleiter der Polizei drehte sich um, erblickte D’Agosta und wandte sich wieder um.
Loader saß an seiner digitalen Workstation, eine riesige CPU -Einheit unter dem Schreibtisch und ein dualer 30-Zoll-Flachbildschirm obendrauf. Obwohl D’Agosta Druck gemacht hatte, hatte der Forensiker darauf bestanden, dass er mindestens zwei Stunden für die Bearbeitung und Analyse des Videos benötige. Anderthalb Stunden war er inzwischen schon dabei.
»Bringen Sie mich auf den neuesten Stand«, sagte D’Agosta im Näherkommen.
Loader schob sich von der Arbeitsstation weg. »Es handelt sich um eine MPEG -4-Datei, die per E-Mail an die Nachrichtenabteilung unseres Netzwerks geschickt wurde.«
»Und der Absender?«
Loader schüttelte den Kopf. »Wer immer es war, er hat einen Remailing-Service in Kasachstan genutzt.«
»Okay, und wie sieht’s mit dem Video aus?«
Der Forensiker zeigte auf die beiden Bildschirme. »Läuft gerade durchs Video-Analyseprogramm.«
»Und dafür haben Sie anderthalb Stunden gebraucht?«
Loader runzelte die Stirn. »Ich habe den Code übertragen, den gesamten Clip justiert und die Frames angepasst, die Nebengeräusche entfernt, jeden Frame heller gemacht und eine digitale Bildstabilisierung angewendet.«
»Haben Sie auch nicht vergessen, ein Sahnehäubchen draufzusetzen?«
»Lieutenant, wenn man eine solche Datei bearbeitet, dann glättet und schärft man nicht nur das Bild, sondern reduziert auch Ablenkungen und kann Indizien highlighten, die ansonsten nicht auffallen würden.«
D’Agosta hatte nicht übel Lust, darauf hinzuweisen, dass hier ein Menschenleben auf dem Spiel stand und jede Minute zählte, entschied sich aber dagegen. »Na gut. Lassen Sie mal sehen.«
Loader zog den Joystick näher zu sich heran – ein rundes schwarzes Gerät von der Größe eines Eishockeypucks. Auf dem linken Monitor erschien flackernd das Video. Es war nicht so körnig und verschwommen wie vorhin, als er es in den Nachrichten gesehen hatte. Man hörte ein Rasseln, dann war schwacher Lichtschein zu erkennen, der in die Dunkelheit fiel. Und da war Nora. Sie blickte in die Kamera, ihr von der Lichtquelle erhelltes Gesicht sah aus wie ein weißes Gespenst, das im Dunkeln schwebte. Hinter ihr konnte D’Agosta gerade eben kleine Flächen mit Stroh auf einem Zementboden ausmachen, roh gehauene, mit Mörtel gefugte Natursteine, die die Wände bildeten.
»Hilfe!«,
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