Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
wenigen Augenblicken noch die Sonne gewesen war. Er hielt den Blick darauf gerichtet, bis er Stiefel durchs Gras rascheln und das schwache Zischen eines Atems hörte. Dann drehte er sich zu dem Mann um – einem Mann, den er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er hatte sich kaum verändert: ein Anflug von Hängebacken, etwas gelichtetes Haar, aber ansonsten kräftig und sehnig wie eh und je. Der Mann trug teure Sumpfstiefel und ein Chambray-Hemd.
»Guten Abend«, sagte der Mann.
Esterhazy nahm die Pfeife aus dem Mund und hob sie grüßend. »Hallo, Mike«, entgegnete er.
Der Mann stand vor dem Abendrot, weswegen seine Züge undeutlich blieben. »Also«, begann er, »klingt, als hätten Sie es auf sich genommen, ein kleines Problem zu beseitigen, und was dabei rausgekommen ist, ist ein Riesenschlamassel.«
Esterhazy hatte nicht vor, sich diesen Ton bieten zu lassen, nicht von Michael Ventura. »Nichts, was mit diesem Pendergast zu tun hat, ist ›ein kleines Problem‹«, sagte er schroff. »Es ist genau das eingetreten, wovor wir uns all die Jahre gefürchtet haben. Etwas musste getan werden, und ich habe es getan. Eigentlich wäre das Ihr Job gewesen. Aber Sie hätten es zweifellos noch mehr vermasselt.«
»Unwahrscheinlich. Solche Jobs kann ich am besten.«
Ein langes Schweigen. Esterhazy sog einen dünnen Rauchfaden ein, stieß ihn aus und versuchte, sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden.
»Es ist lange her«, sagte Ventura. »Lassen Sie uns nicht mit Misstönen beginnen.«
Esterhazy nickte. »Es ist nur so, dass … Also, ich hatte gedacht, es wäre vorbei. Längst vergessen.«
»Es wird nie vorbei sein. Nicht, solange wir mit Spanish Island zu tun haben.«
Ein Anflug von Besorgnis zog über Esterhazys Gesicht. »Es ist doch alles in Ordnung, oder?«
»So weit, wie man es erwarten kann.«
Wieder Schweigen.
»Hören Sie«, sagte Ventura mit milderer Stimme. »Ich weiß sehr wohl, dass das alles nicht einfach für Sie sein kann. Sie haben ein hohes Opfer gebracht, das höchste, und wir waren Ihnen sehr dankbar dafür.«
Esterhazy sog an seiner Pfeife. »Kommen wir zur Sache.«
»Okay. Also, nur damit ich das richtig verstehe. Statt Pendergast zu töten, haben Sie seinen Partner erledigt.«
»D’Agosta. Ein glücklicher Zufall. Er stellte ein ungelöstes Problem dar. Ich habe mich auch um zwei andere ungelöste Probleme gekümmert – Blast und Blackletter. Zwei Leute, die man schon längst aus dem Verkehr hätte ziehen sollen.«
Als Antwort spuckte Ventura ins Gras. »Da bin ich anderer Meinung. War ich immer. Blackletter wurde gut für sein Stillschweigen bezahlt. Und Blast ist nur indirekt beteiligt.«
»Trotzdem war er ein ungelöstes Problem.«
Ventura schüttelte nur den Kopf.
»Jetzt ist D’Agostas Freundin hier runtergekommen. Seine Freundin, die zufällig der jüngste Captain im Dezernat für Tötungsdelikte des NYPD ist.«
»Und?«
Esterhazy nahm die Pfeife aus dem Mund und sagte in kühlem Ton: »Mike, Sie haben keine Ahnung, nicht den Hauch einer Vorstellung, wie gefährlich dieser Pendergast ist. Ich kenne ihn gut. Ich musste sofort handeln. Unglücklicherweise ist es mir nicht gelungen, ihn beim ersten Versuch zu töten. Was den zweiten Versuch sehr viel schwieriger machen wird. Entweder er oder wir, das begreifen Sie doch wohl, oder?«
»Was kann er denn schon wissen?«
»Er hat das Schwarzgerahmte gefunden, er weiß von Audubons Krankheit, und irgendwie hat er auch von der Familie Doane erfahren.«
Ein scharfes Luftholen. »Echt? Wie viel weiß er über die Doanes?«
»Schwer zu sagen. Er war in Sunflower. Er hat ihr Haus besucht. Er ist hartnäckig und intelligent. Sie können davon ausgehen, dass er alles weiß – oder bald wissen wird.«
»Scheiße! Wie um alles in der Welt haben die das herausgefunden?«
»Keine Ahnung. Pendergast ist nicht nur ein brillanter Ermittler, er ist auch hochmotiviert –
einzigartig
motiviert.«
Ventura schüttelte den Kopf.
»Und ich hege wenig Zweifel daran, dass er dieser Mordermittlerin mit seinen Verdächtigungen in den Ohren liegt, genau wie er es mit seinem Partner getan hat, diesem D’Agosta. Ich fürchte, es ist nur eine Frage der Zeit, bevor sie unserem gemeinsamen Freund einen Besuch abstatten.«
Es entstand eine Pause. »Glauben Sie, es ist eine offizielle Ermittlung?«
»Scheint nicht so. Ich glaube, sie arbeiten auf eigene Faust. Ich bezweifle, dass noch andere beteiligt sind.«
Ventura dachte einen
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