Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
als Chirurg würde ich die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Verlaufs bei fünf Prozent ansetzen … oder weniger.«
Es folgte ein langes Schweigen.
Fünf Prozent oder weniger.
»Wie steht’s mit einer Herztransplantation?«
»Wenn wir ein passendes, funktionsfähiges Herz zur Verfügung hätten, wäre das eine Möglichkeit. Aber wir haben keins.«
Hayward tastete blind nach der Lehne des Stuhls und sank darauf nieder.
»Hat Mr. D’Agosta irgendwelche Verwandte, die wir benachrichtigen sollten?«
Hayward antwortete nicht sofort. Schließlich sagte sie: »Eine Ex-Frau und einen Sohn … in Kanada. Sonst gibt es niemanden. Und es heißt Lieutenant D’Agosta.«
»Ich bitte um Verzeihung. Jetzt müssen Sie mich entschuldigen, ich muss in den OP zurück. Die Operation wird mindestens noch acht Stunden dauern, sofern alles gut verläuft. Sie können gerne hierbleiben, aber ich bezweifle, dass es vorher etwas Neues zu berichten gibt.«
Hayward nickte vage. Es fiel ihr schwer, seine Worte zu erfassen. Sie schien jede Fähigkeit zur rationalen Reflexion eingebüßt zu haben.
Sie spürte die leichte Berührung des Arztes an der Schulter. »Dürfte ich fragen, ob der Lieutenant religiös ist?«
Sie versuchte, sich auf die Frage zu konzentrieren, und nickte. »Er ist katholisch.«
»Hätten Sie gern, dass ich den Krankenhauspfarrer bitte, zu Ihnen zu kommen?«
»Den Priester?« Sie schaute Pendergast an, unsicher, was sie darauf antworten sollte.
»Ja«, sagte Pendergast. »Es wäre schön, wenn der Priester kommt. Wir würden gern mit ihm sprechen. Und in Anbetracht der Umstände sagen Sie ihm bitte, er solle sich darauf vorbereiten, die Letzte Ölung zu erteilen.«
Ein leises Piepen war irgendwo an dem Arzt zu hören, und er langte automatisch hinunter, löste einen Piepser vom Gürtel und schaute darauf. Gleichzeitig erwachte die Lautsprecheranlage zum Leben, und eine besänftigende Frauenstimme ertönte aus einer versteckten Box:
»
Code blau,
OP
zwei-eins. Code blau,
OP
zwei-eins. Codeteam bitte zum
OP
zwei-eins.«
»Sie entschuldigen mich«, sagte der Chirurg, einen Anflug von Hast in der Stimme. »Ich muss jetzt gehen.«
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Aus der Lautsprecheranlage ertönte ein abschließendes
bing, bing!
, dann herrschte Stille. Hayward blieb reglos sitzen, plötzlich wie erstarrt. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie brachte es nicht über sich, Pendergast anzusehen oder die Krankenschwestern, sie konnte nur zu Boden starren. Sie konnte an nichts anderes denken als an den Ausdruck in den Augen des Arztes, als er davongeeilt war.
Kurz darauf kam der Priester, eine schwarze Tasche in der Hand, die ihn fast selbst wie einen Arzt wirken ließ, ein kleiner Mann mit weißem Haar und einem sorgsam gestutzten Bart. Mit hellen, vogelähnlichen Augen schaute er von ihr zu Pendergast.
»Ich bin Pater Bell.« Er stellte seine Tasche ab und streckte seine kleine Hand aus. Hayward nahm sie, aber anstatt ihr die Hand zu schütteln, hielt er sie tröstend umfasst. »Und Sie sind?«
»Captain Hayward. Laura Hayward. Ich bin … eine enge Freundin von Lieutenant D’Agosta.«
Er hob leicht die Augenbrauen. »Sie sind also bei der Polizei?«
» NYPD .«
»Wurde er im Dienst verwundet?«
Hayward zögerte; Pendergast übernahm geschickt das Gespräch. »In gewisser Weise. Ich bin Special Agent Pendergast vom FBI , ein Kollege des Lieutenants.«
Ein knappes Nicken und ein Handschlag. »Ich bin hier, um Lieutenant D’Agosta die Sakramente zu erteilen, insbesondere das Sakrament, das wir Krankensalbung nennen.«
»Krankensalbung«, wiederholte Hayward.
»Früher haben wir es die Letzte Ölung genannt, aber das war stets eine wenig zutreffende und ungenaue Bezeichnung. Schauen Sie, es ist ein Sakrament für die Lebenden, nicht für die Sterbenden, und es ist ein heilendes Sakrament.« Seine Stimme war hell und melodisch.
Hayward neigte den Kopf und schluckte.
»Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich etwas ausführlicher darauf eingehe. Meine Anwesenheit kann manchmal ein wenig beunruhigend wirken. Die Leute glauben, dass ich nur gerufen werde, wenn jemand im Sterben liegt, was aber nicht der Fall ist.«
Hayward war zwar nicht katholisch, empfand seine Direktheit aber trotzdem als beruhigend. »Dieser Code, den wir da gerade gehört haben.« Sie verstummte kurz. »Bedeutet das …?«
»Der Lieutenant wird von einem Team hervorragender Ärzte operiert. Wenn es einen Weg gibt, ihn da rauszuholen, werden sie ihn
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