Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit
darum zu kümmern. Als Gegenleistung werde ich Ihnen nämlich mitteilen, was ich über Constance weiß – was in der Tat sehr viel ist und was sogar Ihre kühnsten psychiatrischen Träume übertreffen wird. Ob diese Informationen tatsächlich zur Veröffentlichung geeignet sind oder nicht, liegt in Ihrem Ermessen und Ihrer Fähigkeit zur Diskretion.«
Felder merkte, wie sein Herz schneller schlug. »Vielen Dank.«
»Ich danke
Ihnen.
Und nun wünsche ich Ihnen einen guten Tag, Dr. Felder. Wir werden uns wiedersehen, sobald Constance sicher im Mount Mercy untergebracht ist.«
Felder sah zu, wie der Agent sein Büro verließ und leise die Tür schloss. Seltsam, auch er schien dem 19. Jahrhundert entsprungen zu sein. Und dann überlegte Felder zum ersten Mal, wer dieses Treffen, das er so sorgfältig eingefädelt hatte, eigentlich bestimmt hatte und wessen verdeckte Absichten erfüllt worden waren.
EPILOG
Savannah, Georgia
Judson Esterhazy saß in einem Sessel in der Bibliothek seines Hauses am Whitfield Square. Es war ein überraschend kühler Maiabend, weshalb ein kleines Feuer im Kamin brannte und die Luft mit dem Geruch von brennendem Birkenholz parfümierte.
Nachdem er einen Schluck von dem guten Highland-Malt genommen hatte, den er aus dem Keller heraufgeholt hatte, spülte er das torfige Getränk erst in seinem Mund, bevor er es herunterschluckte. Doch der Whisky schmeckte bitter, so bitter wie seine Gefühle im Moment waren.
Pendergast hatte Slade getötet. Es hieß, es sei Selbstmord gewesen, aber er, Judson, wusste, dass das gelogen war. Irgendwie, auf irgendeine Weise, hatte Pendergast das hinbekommen. So schlimm die letzten zehn Jahre auch verlaufen sein mochten, die letzten Augenblicke des alten Mannes mussten fürchterlich gewesen sein, eine unvorstellbare geistige Tortur. Er hatte miterlebt, wie Pendergast andere Menschen manipulierte, und er hegte keinerlei Zweifel, dass er auch Slades Demenz ausgenutzt hatte. Es war Mord – schlimmer als Mord.
Als aus dem Glas, das in seiner Hand zitterte, ein paar Tropfen auf den Tisch fielen, stellte er es heftig ab. Wenigstens wusste er mit absoluter Sicherheit, dass Slade ihn nicht verraten hatte. Der alte Mann liebte ihn wie einen Sohn und hatte trotz allem Wahnsinn und Leid sein Geheimnis sicherlich bis zum letzten Augenblick bewahrt. Manche Dinge waren sogar größer als das Irresein.
Er hatte Slade früher auch geliebt, doch dieses Gefühl war vor zwölf Jahren erloschen. Er hatte einen kurzen Blick auf die andere Seite von Slade erhaschen können, die ihm zu nahe war, als dass er sich damit einverstanden erklären konnte. Sie erinnerte ein wenig zu stark an den eigenen gewalttätigen Vater und dessen ziemlich diabolische Forschungen, derer sich Judson nur allzu bewusst war. Aber vielleicht war es ja das Schicksal aller Väter und Vaterfiguren – zu enttäuschen, zu verraten, in der Statur zu schrumpfen, wenn man selbst älter und weiser wurde.
Er schüttelte den Kopf. Was für ein Fehler das alles gewesen war, was für ein schrecklicher, tragischer Irrtum. Und wie paradox, wenn man darüber nachdachte. Als Helen ihm die Idee erstmals vorgetragen hatte, eine Idee, über die sie im buchstäblichen Sinne durch ihr Interesse an Audubon gestolpert war, war es beinahe wie ein Wunder erschienen – ihm und auch ihr.
Es könnte ein Wundermedikament werden,
hatte sie gesagt.
Rede du mit verschiedenen Pharmafirmen, Judson. Du weißt doch bestimmt, an wen du dich wenden könntest.
Und er hatte es gewusst. Er wusste, wie man die Finanzierung sicherstellte. Und er kannte auch das perfekte Unternehmen, das das Medikament entwickeln könnte: Longitude, geleitet von seinem Doktorvater, Charles Slade, der jetzt im privaten Sektor tätig war. Sein charismatischer ehemaliger Professor hatte ihn in seinen Bann gezogen, und so waren sie in Kontakt geblieben. Slade war die Idealbesetzung, er konnte es schaffen, ein solches Medikament zu entwickeln – ein kreativer, unabhängiger Denker, risikobereit, äußerst diskret …
Und jetzt war er tot, Pendergast sei Dank. Pendergast, der die Vergangenheit aufgerührt, alte Wunden aufgerissen und direkt oder indirekt mehrere Todesfälle verursacht hatte.
Esterhazy packte das Glas und leerte es, ohne den Whisky zu schmecken. Auf dem Sofatisch, auf dem die Flasche und das kleine Glas standen, lag auch eine Broschüre. Er nahm sie in die Hand und blätterte darin. Sein Zorn wich einem grimmigen Gefühl der Befriedigung.
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