Pendergast 11 - Revenge - Eiskalte Täuschung
Faust zu mir gekommen.«
Pendergast nickte.
»Dann sind Sie genau an der richtigen Adresse, Mr. Pendergast. Ich habe mein Leben der Aufgabe gewidmet, den Dachau-Arzt zur Strecke zu bringen. Nur
die hier
haben mich davon abgehalten.« Er deutete auf seine Beine, die unter einer Decke lagen. Dann stellte er sein Glas ab und griff nach einem dicken Aktenordner, der an der Kante des Terrassentischs lag. »Die Arbeit eines ganzen Lebens, Mr. Pendergast.« Weiss tätschelte den Ordner. »Zusammengefasst zwischen diesen Aktendeckeln. Und ich kenne den Inhalt auswendig.« Er trank einen großen Schluck von seinem Julep. »Wolfgang Faust wurde neunzehnhundertacht in Ravensbrück, Deutschland, geboren und besuchte die Universität München, wo er den drei Jahre älteren Josef Mengele kennenlernte und zu dessen Schützling aufstieg. Am Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene in Frankfurt arbeitete er als Mengeles Assistent. Neunzehnhundertvierzig promovierte er zum Doktor der Medizin und trat in die Waffen- SS ein. Später arbeitete er, auf Mengeles Empfehlung hin, für Mengele im Klinikblock in Auschwitz. Sie wissen, welche Art von ›Arbeiten‹ Mengele dort durchführte?«
»Ich habe eine ungefähre Vorstellung.«
»Brutale, grausame und menschenverachtende Operationen, die häufig ohne Narkose durchgeführt wurden.« Weiss’ offenes und heiteres Gesicht hatte eine Wandlung durchlaufen und wirkte jetzt hart und unerbittlich. »Unnötige Amputationen. Grässlich schmerzhafte und entstellende medizinische ›Experimente‹, ausgeführt an kleinen Kindern. Elektroschockbehandlungen. Sterilisierungen. Gehirnoperationen, um die Zeitwahrnehmung zu verändern. Den Versuchspersonen wurden verschiedene Gifte und Krankheitserreger injiziert. Menschen wurden so lange einer Unterkühlung ausgesetzt, bis sie starben. Mengele war fasziniert von allem Ungewöhnlichen oder Anomalen: Heterochromie, Zwergwuchs, eineiige Zwillinge, Vielfingrigkeit. Roma – Zigeuner – waren seine bevorzugten Opfer. Hunderte von ihnen infizierte er mit Lepra, um auf diese Weise eine biologische Waffe zu entwickeln. Und als seine teuflischen Experimente beendet waren, brachte er die Opfer um, oftmals mit Chloroform-Injektionen ins Herz, um am Ende eine Autopsie durchzuführen, damit er die pathologischen Veränderungen dokumentieren konnte. Genauso wie bei Laborratten.«
Er trank noch einen Schluck. »Faust zeichnete sich in Auschwitz so sehr aus, dass er nach Dachau geschickt wurde, damit er seine eigene Einrichtung aufbaute. Über die Art der Experimente in Dachau ist nicht viel bekannt – Faust gelang es sehr viel besser als Mengele, seine Unterlagen zu vernichten und Zeugen umzubringen –, aber unsere Kenntnisse über ihn sind genauso beunruhigend wie Mengeles Greueltaten, wenn nicht noch beunruhigender. Ich will hier nicht von den Details sprechen; sie befinden sich in diesem Ordner, wenn Sie wirklich erfahren wollen, wie tiefreichend die moralische Verkommenheit eines Menschen sein kann. Lassen Sie uns stattdessen darüber reden, was nach dem Krieg geschah. Nach dem Fall Berlins ging Faust mit Hilfe von Nazi-Sympathisanten, die ihn in einer Dachkammer in Deutschland versteckt gehalten hatten, in den Untergrund. Diese Sympathisanten hatten alle gute Verbindungen und viel Geld oder vielleicht beides.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil diese Leute in der Lage waren, gefälschte Dokumente von sehr hoher Qualität anzufertigen oder zu besorgen. Heiratsurkunden, Personalausweise, Pässe und dergleichen. Diese Sympathisanten verschafften Faust einen falschen, auf den Namen Wolfgang Lanser ausgestellten Pass. Irgendwann in den späten vierziger Jahren – man weiß nicht genau, wann – wurde er außer Landes geschmuggelt und gelangte mit dem Schiff nach Südamerika. Sein erster Anlaufhafen lag in Uruguay. Dies alles, was ich Ihnen bisher erzählt habe, herauszufinden, hat mich zehn Jahre Arbeit gekostet.«
Pendergast neigte den Kopf.
»Er ließ sich in einer Reihe abgeschiedener Städte nieder und verdiente sein Geld, indem er die Bauern ärztlich versorgte, aber es scheint, dass er an keinem Ort lange willkommen war. Offenbar waren seine Honorare exorbitant, und manchmal folgte er seiner Neigung, verschiedene, äh, ›Heilkuren‹ auszuprobieren, die dann mit dem Tod endeten.«
»Der unverbesserliche Experimentator«, murmelte Pendergast.
»Neunzehnhundertachtundfünfzig hatte ich ihn in Uruguay aufgespürt. Irgendwie erfuhr er davon,
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