Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Stevens
Vom Netzwerk:
»Ich schlage vor, Sie bleiben auf Kurs und segeln einfach mittendurch.«
    »Aber es sieht fürchterlich schwarz aus. Sind Sie ganz sicher, dass wir nicht plötzlich über den Rand der Erde kippen?«
    »Wir können natürlich auch umkehren«, räumte Walter ein. »Christoph Kolumbus hat sich zwar wesentlich weiter nach Westen vorgewagt als wir, aber wenn Sie Angst haben …«
    »Kurs halten!«, rief Rupert zu Swipe hinunter, der an der Ruderpinne stand. Als der Admiral das Fernrohr wieder ans Auge setzte, zitterten ihm die Hände.
    Jetzt merkte Walter, dass sein Neffe neben ihm stand. »Wo hast du denn gesteckt, Hugo?«
    »Och, Rusty wollte, dass ich ihm in der Kombüse ein bisschen zur Hand gehe. Was ist denn los?«
    »Die Mannschaft glaubt, wir wären am Rand der Erde angekommen.« Das Schiff legte sich jäh auf die Seite und Walter hielt sich an seinem Neffen fest. »Die Leute sind davon überzeugt, dass die Erde eine Scheibe ist und dass man, wenn man zu weit segelt, auf Nimmerwiedersehen über den Rand purzelt.«
    »Und, stimmt das?«, fragte Hugo. Jetzt prasselten dicke Regentropfen aufs Deck. Ein greller Blitz zuckte über den Himmel, gefolgt von einem krachenden Donnerschlag.
    Walter schmunzelte. »Die meisten Wissenschaftler vertreten die Meinung, dass die Erde eine Kugel ist. Und ich habe noch auf keiner meiner Reisen irgendwo einen Rand gesehen. Die Befürchtungen der Mannschaft sind wahrscheinlich unbegründet.«
    » Wahrscheinlich ?«
    »Wir wissen noch nicht genug über die Welt, um ganz sicher zu sein. Dafür sind Entdecker wie wir ja da.«
    Hugo nickte energisch, aber ihm war doch ein wenig mulmig – was nicht nur daran lag, dass das Schiff derart schlingerte. Onkel Walter legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.
    »Keine Angst, Hugo. Selbst wenn die Erde eine Scheibe ist, sind wir längst noch nicht weit genug gesegelt, um am Rand angekommen zu sein.«
    Matrose Muddel kam aufs Achterdeck gestiegen. Er riss angstvoll die Augen auf, das klatschnasse Haar klebte ihm am Schädel und das Hemd am Bauch.
    »Admiral!«, übertönte er den Sturm. »Sie müssen beidrehen lassen!«
    »Kommt nicht infrage!«, erwiderte Rupert. »Wenn Christoph Kolumbus weiter nach Westen segeln kann, kann ich das schon lange.«
    »Aber wir gehen womöglich alle drauf!«
    »Wahrscheinlich ist es bloß ein gewöhnliches Gewitter«, warf Walter ein.
    »Und wenn du dich irrst, Alter?« Muddel war außer sich. »Wenn wir alle in den Tod stürzen?«
    »Keine Sorge, Matrose Muddel. Das ist doch nicht das Ende der Welt.« Hugo lächelte verschmitzt.

    Es war ein fürchterliches Unwetter. Regen peitschte das Schiff und es hüpfte wie ein Korken über das aufgewühlte Meer. Manche Matrosen verkrochen sich unter Deck und beteten, andere tranken noch mehr Bier als sonst und beklagten, dass sie nun alle sterben müssten. Admiral Lilywhite schloss sich in seiner Kajüte ein und übergab sich – und zwar oft. Der Regen hatte ihm den Puder vom Gesicht gewaschen, aber er war trotzdem kreidebleich.
    Walter drückte sich in eine Ecke der Kajüte und hielt Hugo im Arm. Der Junge barg den Kopf an der Brust seines Onkels und klammerte sich in Todesangst an ihn. Wenn sich das Schiff eine berghohe Welle hochkämpfte, kam es einem vor, als könnte es sich jederzeit überschlagen. Wenn es dann hinter dem Wellenkamm in die Tiefe stürzte, stellte Hugo sich vor, dass sie vom Meer verschlungen würden. Die Wellen schlugen über die Reling und überschwemmten die Decks. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde über Bord gespült.
    Hugo begann schon zu zweifeln, ob das Unwetter je ein Ende nehmen würde, aber als am nächsten Tag die Sonne aufging, flaute der Sturm so schnell, wie er aufgekommen war, wieder ab. Der Himmel klarte auf, die See beruhigte sich.
    Die Mannschaft wagte sich nur zögerlich wieder an Deck. Erst als die Männer ganz sicher waren, dass das Schiff nicht über den Rand der Erde kippen würde, machten sie sich wieder an die Arbeit. Anfangs noch voller Argwohn, pumpten sie denLaderaum aus, flickten die Segel, kletterten in die Takelage und schrubbten die Decks. Es dauerte eine Weile, bis alles wieder seinen gewohnten Gang ging.
    Walter verarztete den Finger seines Neffen. Er hielt die Spitze seines Zirkels kurz in kochendes Wasser und pulte den Splitter damit heraus. Hugos Hand wurde nicht vom Wundbrand befallen, und weder schrumpfte sein Kopf, noch fielen ihm die Augen aus.
    Der gleichförmige Alltag kehrte wieder ein. Alle

Weitere Kostenlose Bücher