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Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Stevens
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Augenklappe gehalten.«
    Hawkeye schüttelte energisch den Kopf. »Ich spinne nicht! Wenn du mir nicht glaubst, guck doch selber!«
    »Welch ausgezeichneter Vorschlag!« Hugo erkannte Ruperts gewählte Ausdrucksweise. »Jemand soll in den Ausguck klettern und Herrn Hawkeyes Behauptung einer Prüfung unterziehen. Freiwillige vor!«
    Die Seeleute sahen einander beklommen an und traten einhellig ein paar Schritte zurück. Hugo spähte am Mast empor. Es sah nach einer halsbrecherischen Kletterpartie aus, aber er platzte vor Neugier, ob Hawkeye recht hatte.
    Darum holte er tief Luft, trat vor und verkündete: »Ich mach’s!«
    »Sieh an, sieh an!«, rief Rupert. »Wenn das nicht unser junger Kartenzeichnergehilfe ist! Wie außerordentlich heldenhaft von dir, dich freiwillig zu melden.«
    Hugo steckte Hawkeyes Fernrohr in seinen Tornister und kletterte drauflos. Er stieg langsam und vorsichtig die Takelage empor – ein kompliziertes Gewirk aus Seilen und Tauen, das hoch oben an der Mastspitze zusammenlief. Die groben Seilescheuerten ihm die Hände auf, aber er hielt sich trotzdem fest und fand mit den weichen Lederstiefeln gut Halt. Bald hatte der Nebel das Deck unter ihm verschluckt, aber die Mastspitze konnte er genauso wenig erkennen. Er war mutterseelenallein in einer kleinen Dunsthülle.
    Je höher er kam, desto stärker machten sich die Bewegungen des Schiffes bemerkbar – noch das sanfteste Schaukeln verursachte hier oben ein so heftiges Schlingern, dass sich einem schier der Magen umdrehte. Hugo versuchte, sich abzulenken, und rief sich ins Gedächtnis zurück, dass er schließlich in die Welt hinausgezogen war, um Abenteuer zu erleben.
    Als er den Blick hob, konnte er verschwommen die Unterseite des Mastkorbs erkennen. Er war froh, dass die Kletterei gleich ein Ende hatte, andererseits jedoch enttäuscht, weil man auch von hier oben im Nebel nur ein paar Meter weit sehen konnte. Hawkeye musste sich das Land doch eingebildet haben. Hugo kletterte in den Ausguck und spähte angestrengt in die Nebelsuppe ringsum.
    Dann beugte sich über den Korbrand und rief zum Deck hinunter: »Ich kann überhaupt nichts erkennen! Es ist viel zu neblig.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis Hawkeyes Erwiderung durch den Dunst drang. »Du bist zu klein! Stell dich mal auf das Fass!«
    Hugo tastete umher, bis er ein umgekipptes leeres Bierfass entdeckte. Er stellte das Fass hin und kniete sich drauf. Dann zog die Beine eins nach dem anderen nach, bis er in der Hocke saß, und zu guter Letzt richtete er sich vorsichtig auf. Das Fass war unten nicht ganz eben und wackelte wie ein Tisch auf Kopfsteinpflaster. Hugo breitete die Arme aus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Als er die Knie durchdrückte und den Hals reckte, geschah etwas Unglaubliches – sein Oberkörper tauchte aus dem Nebel in klares blaues Tageslicht!
    Die Nebeloberfläche war leicht wellig und erinnerte Hugo an den ersten Schnee auf der heimatlichen Heide. Er musste daran denken, wie er einmal mit seinem Vater durch ein Tal gewandert war, wo der Schnee schon überall weggetaut war, nur ein Berggipfel war noch weiß.
    »Das ist der König der Berge«, hatte ihm Jack erklärt. »Der höchste Punkt ist immer der erste und letzte, wo Schnee liegt, die Krone der Schöpfung.«
    Hugo verlagerte sein Gewicht, als der Mast wie ein riesiges Metronom in weitem Bogen von einer Seite zur anderen ausschlug. Dann fiel sein Blick über seine rechte Schulter und er sah etwas.
    Etwas Langgestrecktes, Schmales, das unter dem Nebel lauerte wie ein schlummerndes Krokodil. Hugo sprang von seinem Fass und lehnte sich über die Brüstung.
    »Land in Sicht!«, jubelte er. »Land in Sicht!«

10. Kapitel
    A
dmiral Lilywhite erteilte Oliver Muddel den Befehl zum Beidrehen. Kurz darauf glitt das Schiff aus der Milchsuppe heraus und in einen herrlich klaren Morgen hinein. Es war ein wunderschöner Tag, das leicht gekräuselte Meer glitzerte in der Sonne. Rockford bediente die schwere Ankerwinde, eine Anstrengung, von der seine Muskeln anschwollen wie Ballons.
    Walter hatte Hugo rufen gehört und war hochgekommen, um nachzusehen, was die ganze Aufregung sollte. Er trat im selben Augenblick an Deck, als sein Neffe aus der Takelage sprang.
    »Ich hab was gesehen, Onkel Walter!« Hugo vollführte vor lauter Freude Luftsprünge. »Ich glaub, es ist eine Insel.«
    »Wo denn?« Walter setzte seine Brille auf und spähte blinzelnd umher wie ein Maulwurf.
    »In dem Nebel drin!«
    »Bin ich denn

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