Perdido - Das Amulett des Kartenmachers
vorbeischleichen, ohne unser Dornröschen aufzuwecken. Mir nach! Und bleibt immer dicht hinter mir.«
Der Faule-Eier-Gestank, den der Büffeloger verströmte, drehte Hugo den Magen um. Er blieb dicht hinter Snowdon, rutschte aber immer wieder auf dem Geröll aus.
Eigentlich hatte er sich vorgenommen, das schlafende Ungeheuer nicht anzusehen, aber dann schielte er im Vorbeischleichen unwillkürlich doch hinüber. Der Büffeloger hockte auf den Hinterläufen auf einem Felsblock, das Kinn auf der Brust. Die stämmigen Vorderläufe hingen schlaff herunter, aus der schwarzen Nüster quoll bei jedem Atemzug stinkender Dampf. Das Maul stand halb offen, seitlich hing die dicke, blaurote Zunge wie ein Riesenstück rohe Leber heraus. An dem zottigen Kinn prangte ein dicker Sabberklumpen wie ein gläserner Tropfstein.
Eigentlich wirkte das Ungeheuer seltsam friedlich. Abstoßend hässlich, das schon, aber dennoch irgendwie friedlich.
Hugo und Snowdon waren schon fast an dem schlummernden Posten vorbei, als Hugo spürte, wie etwas sein Bein streifte. Als er sich umdrehte, sah er, dass Pigasus ausgerutscht war. Er strampelte und scharrte in panischer Angst, um wieder auf die Füße zu kommen, aber je mehr er scharrte, desto mehr Geröll kullerte den Hang hinunter.
Hugo bedeutete ihm, ganz ruhig zu bleiben, aber es war zu spät. Pigasus’ verzweifelter Versuch, wieder Fuß zu fassen, verursachte eine Gerölllawine. Große und kleine Steinbrocken rumpelten und polterten den steilen Hang hinunter.
Als Pigasus merkte, dass er gleich mitgerissen würde, nahm er alle Kraft zusammen und machte einen Riesensatz. Zum Glück fand sein Huf an etwas Festem Halt, das sein Gewicht aushielt.
Der erschrockene Hugo sah, dass sich Pigasus gegen den Hinterlauf des sitzenden Büffelogers stemmte. Das Scheusal hob jäh den Kopf, die milchig rosa Augen waren auf einen Schlag hellwach. Der Büffeloger packte Pigasus mit der kräftigen Tatze blitzschnell am Knie, erhob sich und schleifte seine Beute weg. Hugo wurde ganz schlecht, als er sah, wie sein Freund im Klammergriff des Ungeheuers baumelte, um sich trat und boxte und verzweifelt mit den Flügeln schlug. Der Büffeloger fuhr sich mit der dicken blauroten Zunge über die Lippen.
Hugo rief nach Snowdon, doch der stapfte unbeirrt weiter bergauf, und Hugos Ruf wurde vom Wind davongetragen. Es war allein an ihm, zu verhindern, dass Pigasus auf der Speisekarte für den Halbmondschmaus landete.
Hugo stürmte los, zog im Laufen sein Schwert und rammte es dem Büffeloger direkt unter die linke Hinterbacke. Das Ungeheuer drehte sich um. Es schien über den Angriff eher verärgert, als dass es sich bedroht fühlte – wie ein Hund, der von einer Fliege belästigt wird.
Als überlegte es, ob man Hugo fressen konnte oder nicht, legte das Vieh stirnrunzelnd den Kopf schief. Sein Atem ging rasselnd, sein Blick war starr.
Dann packte der Büffeloger den Jungen mit dem freien Vorderlauf an der Schulter und piekte ihn kräftig in den Magen. Hugo krümmte sich stöhnend.
Da sprang Herkules von Hugos Schulter und verschwand im dichten struppigen Fell auf dem Vorderlauf des Scheusals. Doch er tauchte gleich wieder auf dessen Kopf auf. »KAWUMM!«, rief er und drosch auf den breiten Schädel ein. »KAWUMM, KAWUMM!«
Der Büffeloger verzog keine Miene.
Hugo blickte starr vor Angst in die hässliche Nüster, einen bebenden, wulstigen Höllenschlund. Man sah, wie das Ungeheuer genießerisch die Witterung seines Opfers einsog, wie jemand, der an einem saftigen Pfirsich erst schnuppert, ehe er hineinbeißt. Da brachen sich Hugos Todesangst und Wut mit einem Mal Bahn.
»ICH BIN KEIN PFIRSICH!«, brüllte er und zog sein Schwert.
Er stieß dem Vieh die Klinge mit aller Kraft in die Nüster, und das derart schwungvoll, dass die Waffe fast in der Schnauze und im Kopf des Scheusals verschwand.
Der Büffeloger rollte wild mit den rosa Augen. Er zog die Lefzen hoch und streckte die Zunge heraus. Dann verdrehte er dieAugäpfel, bis man nur noch das Weiße sah. Ein letzter Schwall Eiermief quoll aus der Nüster, dann brach der Büffeloger in die Knie und lag als zottiger Berg am Boden.
Pigasus, den das stürzende Unheuer mitgerissen hatte, rappelte sich auf.
»Hast du was abbekommen?«, übertönte Hugo den Wind.
»Kann mich nicht beklagen!«, erwiderte Pigasus.
»Sag mal, Pigasus«, meldete sich Herkules zu Wort, »wie war das doch gleich? ›Tarnung ist alles‹?«
»Allerdings!« Hugo grinste seinen Freund
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