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Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Titel: Perdido - Im Bann des Vampirjägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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»Wer kann das sein?«
    »Keine Ahnung.« Walter zog mit neu erworbener Kunstfertigkeit verwundert die rechte Augenbraue hoch. »Wer sollte uns um diese Zeit noch besuchen wollen?«
    Es klopfte abermals energisch.
    Hugo und Walter wechselten einen Blick.
    »Für Besuche ist es viel zu spät«, stellte Onkel Walter fest und kratzte sich den Schnurrbart.
    »Vielleicht ist es ja der dicke Händler und er will sich seine Ware wiederholen«, meinte Hugo.
    »Entschuldigt, wenn ich mich einmische …«, Herkules kletterte auf den Tisch und trat ungeduldig von einer Pfote auf die andere, »… aber ich könnte mir denken, dass wir der Lösung des Rätsels näherkommen, wenn einer von euch einfach aufmacht.«
    Hugo ging zur Tür und Herkules huschte hinter einen Steingutkrug, der auf dem Tisch stand. Hugo und Walter hatten ihm schließlich erklärt, er solle sich während seines Aufenthalts in England lieber bedeckt halten. Mit einer sprechenden Maus konnte man in einem Kuriositätenkabinett ein Vermögen verdienen, und Hugo und Walter wollten ihre Mitmenschen gar nicht erst auf dumme Gedanken bringen. In ihren Augen war Herkules kein Besitz, mit dessen Hilfe man zu Wohlstand gelangen konnte – der Mäuserich war ein Familienmitglied.
    Hugo drehte den Schlüssel um und zog die schwere Tür nach innen auf. Die rostigen Angeln quietschten. Ein eiskalter Windstoß fegte ins Zimmer und hätte beinahe das Feuer ausgeblasen. Hugo legte die Hand über die Augen, damit er die dicken Regentropfennicht ins Gesicht bekam, die das Pflaster mit dunklen Flecken sprenkelten und in den Rinnstein trommelten. Dann lugte er auf die Straße hinaus.
    Der späte Besucher war in einen langen schwarzen Umhang gehüllt, der sich im Wind leicht bauschte.
    »So sieht man sich wieder«, sagte er und legte zwei behandschuhte Finger an die Stirn.
    »Sie sind der Mann vom Markt!« Hugo strahlte ihn an.
    Der Fremde vollführte eine angedeutete Verbeugung. »Stets zu Diensten.«
    »Ich habe mich noch gar nicht richtig bei Ihnen bedankt.«
    »Keine Ursache. Ich kann es einfach nicht mit ansehen, wenn jemand seine Mitmenschen bestiehlt. Mir selbst ist nämlich etwas überaus Wertvolles gestohlen worden. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich um diese späte Stunde noch störe, aber ich suche den berühmten Kartografen Walter Bailey.«
    »Das ist mein Onkel«, entgegnete Hugo stolz. »Ich hole ihn.«
    Hugo drehte sich um, aber Onkel Walter war längst zur Tür gekommen und stand hinter ihm.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Das hoffe ich sehr. Darf ich mich vorstellen – ich heiße Otis Phem, aber ihr könnt gern ›Otis‹ zu mir sagen. Herr Bailey, ich bringe Neuigkeiten von Ihrem guten Freund Marcello Giovanni.«
    Otis nahm den Umhang ab und löste sein Kopftuch. Er trug das lange schwarze Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Mit großen Schritten trat er ins Zimmer, ließ seine Handschuhe auf den Tisch fallen und ging vor dem erlöschenden Feuer in die Hocke. Mit dem Schürhaken brachte er die Glut wieder zum Auflodern und wärmte sich die Hände. Hugo schaute stumm und ehrfürchtig zu, Walter schöpfte Suppe in eine unbenutzte Schale.
    Otis setzte die Schale wortlos an den Mund und trank die Suppe aus. Dann stellte er das leere Gefäß auf den Tisch und sah Walter eindringlich an.
    »Ich möchte mich für Ihre Gastfreundschaft bedanken«, sagte er.
    »Marcellos Freunde sind mir stets willkommen«, gab Walter zurück.
    »Sind Sie auch Kartograf, Otis?«, fragte Hugo.
    Otis schüttelte lächelnd den Kopf. »Nicht direkt. Ich würde mich eher als Jäger bezeichnen. Aber mein eigentliches Fachgebiet ist, nennen wir es … der Personenschutz. Marcello und ich haben etliche Reisen zusammen unternommen, haben schon viele Wüsten und Gebirge durchquert. Gemeinsam haben wir ganz Europa und den größten Teil von Nordafrika bereist.«
    »Demnach geben Sie Entdeckern Geleitschutz vor möglichen Überfällen«, fasste es Walter zusammen. »Haben Sie auch an Marcellos Expedition nach Skandinavien teilgenommen?«
    Otis blickte einen Augenblick lang finster drein, als ärgerte er sich über die Frage, dann setzte er eine ausdruckslose Miene auf.
    »O ja, das war eine meiner dunkelsten Stunden«, erwiderte er. »Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt von mir halten, aber bitte beurteilen Sie mich nicht nach meiner einzigen Niederlage unter tausend Siegen.«
    Unter der grauen Asche glühte nur noch hier und da ein rötlicher Funke. Erwartungsvolle Stille senkte sich über das

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