Perfect Copy - Die zweite Schöfung
scheißfreundlich, wenn auch das Lächeln des Religionslehrers reichlich verkrampft wirkte.
Frau Horn hatte natürlich die Zeitung vor sich, legte die Hände auf den Text des Artikels und meinte: »Die haben ja weiß Gott genug Hinweise gegeben, wer gemeint ist. Schwarzwald, Krebsklinik, Brauerei – da kommt nur Schirntal in Frage. Eigentlich hätten sie es genauso gut hinschreiben können. Und ich fürchte, der Name Wolfgang W. gibt dann auch keine allzu großen Rätsel mehr auf.«
Wolfgang nickte beklommen. Daran hatte er überhaupt noch nicht gedacht.
»Wir hatten heute Morgen«, fuhr die Rektorin mit besorgter Miene fort, »mehrere Anrufe von Fernsehsendern und dergleichen. Wir haben zwar alles abgestritten, aber ich fürchte, die sind trotzdem schon im Anmarsch.«
»Das ist nicht meine Schuld«, verwahrte sich Wolfgang. »Außerdem ist es nicht wahr. Dass ich der Klon meines Vaters sein soll.«
Die Rektorin verzog den dünnen Mund zu einer Art Lächeln, aber man merkte, dass sie das nicht glaubte.
»Wie auch immer«, meinte sie. »Ich halte es für das Beste, wenn du nach Hause gehst und bis auf weiteres dort bleibst. Bis sich alles geklärt hat.«
Es war schon Pause, als Wolfgang zurück in die Klasse kam, um seine Sachen zu packen. Cem sah ihm stirnrunzelnd dabei zu. »Was wird denn das, wenn man fragen darf?«
»Ich hab schulfrei gekriegt, das wird das«, sagte Wolfgang und spürte den Impuls, irgendetwas quer durch den Raum zu pfeffern. »Klonferien.«
»Mann! Neid!«, rief Cem. »Ich muss über mich unbedingt auch so ein Gerücht in die Welt setzen. Und dann leiste ich dir Gesellschaft!«
#
Wolfgang hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen. Er schob sein Fahrrad die Straße entlang, überlegte, was er seiner Mutter erzählen würde, und wunderte sich, wie ruhig und verlassen die Stadt wirkte. Er hatte erwartet, überall Übertragungswagen mit dicken Satellitenschüsseln stehen zu sehen und Reporter mit dicken Mikrofonen, aber nichts dergleichen war zu entdecken.
Möglich, dass das noch kam.
Plötzlich hielt neben ihm ein Auto, ein unscheinbarer grauer Kleinwagen mit offenen Fenstern, und der Typ hinterm Steuer beugte sich herüber und winkte ihn her. Wolfgang schob das Rad näher heran, weil er dachte, der Mann wolle nach dem Weg fragen, doch das tat er nicht, sondern sagte stattdessen: »Tut mir Leid.«
»Wie bitte?«
»Ich wollte das nicht. Das mit der Zeitung.«
Wolfgang riss die Augen auf, als er begriff. »Sie sind Journalist. Sie haben das über mich geschrieben.«
»Eben nicht. Sie haben die Geschichte ohne meine Einwilligung gedruckt. Um der Konkurrenz zuvorzukommen, wahrscheinlich. Das ist so in dem Geschäft.« Der Mann war um die dreißig und sah ziemlich wildverwegen aus mit seinem knubbeligen Vollbart und seinem wettergegerbten Gesicht. »Bitte, du musst mir glauben. Ich wollte dich raushalten. Ich recherchiere über die Hintergründe der Klongeschichte, aber ich wollte dich aus der ganzen Sache raushalten.«
Wolfgang musterte ihn misstrauisch. »Ist Ihnen nicht gelungen.«
»Ich weiß, ich weiß.« Der Mann nahm einen abgewetzten Lederbeutel mit undefinierbarem Inhalt und einen Stapel zerlesener Zeitungen vom Beifahrersitz und warf alles auf die Rückbank. »Willst du einsteigen? Dann reden wir ein bisschen.«
»Nein, danke«, sagte Wolfgang. Der Typ hatte ja wohl einen Knall. Außerdem sah es immer noch ziemlich unappetitlich aus in dem Wagen. Zwei angeknabberte Tafeln Nussschokolade, Wolfgangs Lieblingssorte übrigens, lagen auf der Getriebekonsole, und diverse braune Flecken auf den Sitzen sahen so aus, als wären sie auch mal Schokolade gewesen. »Sie wollen mich bloß ausfragen.«
»Also gut«, sagte der Mann, schaltete den Motor ab und zog den Zündschlüssel. »Dann steige ich eben aus, und du darfst mich ausfragen.« Er stieg tatsächlich aus, kam um den Wagen herum und setzte sich auf die niedrige Mauer am Straßenrand.
Wolfgang überlegte, ihn einfach da sitzen zu lassen und davonzuradeln. Sollte er doch heulen. Aber irgendwie war er ihm trotz allem sympathisch. Er sah aus wie ein echter Abenteurer, trug ein verwaschenes Hemd und eine ärmellose Jacke mit tausend Taschen und wirkte, als könne er mindestens eine Million aufregender Geschichten erzählen. Wolfgang lehnte sein Rad gegen die Mauer und setzte sich neben ihn.
»Ist das jetzt Ihr Ernst? Dass ich Sie ausfragen kann?«
»Ja, klar«, nickte der Mann.
»Okay. Wie heißen
Weitere Kostenlose Bücher