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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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fast die Augen aus dem Kopf. »Du hast Aznar gekannt?«
    Vater nickte. »Ich bin ihm mal auf einem Kongress begegnet. Wie tausend andere auch. Die entsprechenden Teilnehmerlisten gibt es natürlich noch. Ich glaubte mich zwar zu erinnern, dass mein Name nicht darauf stand, weil ich völlig kurzfristig an Stelle meines Vorgesetzten geflogen bin, aber das war anscheinend ein Irrtum.«
    Das Licht im Esszimmer schien sich plötzlich verändert zu haben. Die Schatten, die die Tannenzweige vor dem Fenster warfen, sahen auf einmal aus wie die Schatten monströser Krallenarme. Mit den Wänden schien auch etwas nicht zu stimmen: Aus den Augenwinkeln sah es fast so aus, als pulsierten sie wie ein langsam schlagendes Herz.
    Wolfgang war sich nicht hundertprozentig sicher, ob sein eigenes Herz noch schlug. Bis zu diesem Augenblick war die »Klonomanie« für ihn einfach nur ein Tick der Lehrer gewesen, die ohnehin dauernd von irgendwelchen Marotten geritten wurden. Dass es etwas mit ihm selbst zu tun haben könnte, beziehungsweise mit seiner Familie, wäre ihm nicht im Traum eingefallen.
    »Das ist ja…«, begann er, aber dann fiel ihm kein passendes Wort ein. Ihm wurde merkwürdig heiß. »Davon hast du nie etwas erzählt.«
    Vater hob die Schultern. »Das ist alles lange her. Als du zur Welt kamst und wir aus Berlin hierher gezogen sind, haben wir in gewisser Weise einen Teil unseres Lebens hinter uns gelassen. Aber Tatsache ist, ich habe viele Jahre am Deutschen Institut für Biotechnologie gearbeitet. Das war wissenschaftliche Arbeit – interessant, aber schlecht bezahlt und durch gesetzliche Vorschriften bis an die Grenze des Sinnlosen behindert. Deshalb habe ich nicht lange gezögert, als mir der Posten hier an der Klinik angeboten wurde. Die Therapien, die wir machen, beruhen zum großen Teil auf Erkenntnissen, die wir damals in Berlin gewonnen haben. Wie auch immer, zur wissenschaftlichen Arbeit gehört es nun mal, Kongresse und dergleichen zu besuchen. Da Kuba schon lange in vielen medizinischen Fachgebieten weit vorne mit dabei ist, war auf diesen Kongressen eben auch dieser Professor Frascuelo Aznar anwesend.«
    »In der Schule flippen sie aus, wenn ich das erzähle«, meinte Wolfgang fassungslos.
    »Erzähl es lieber nicht. Das Problem dabei ist nämlich«, erklärte Vater mit grimmigem Gesichtsausdruck, »dass nicht viele der Wissenschaftler, die Aznar kennen gelernt haben könnten, Söhne in dem Alter haben, in dem der Klon jetzt sein müsste, den Aznar gemacht zu haben behauptet.« Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Es gibt einen Journalisten, der davon überzeugt ist, dass du mein Klon bist. Er verfolgt mich seit Tagen mit Anrufen – in der Klinik, hier zu Hause, überall.«
    Wolfgang hatte das Gefühl, zu träumen. »Ich?« Er erkannte seine eigene Stimme kaum wieder. Sie hörte sich auf einmal an wie das Krächzen eines lungenkranken Kettenrauchers. »Ich soll der Klon sein?«
    »Natürlich ist das Unsinn. Eigentlich wollte ich dich damit auch überhaupt nicht belasten. Aber ich dachte, ehe dieser Verrückte dir auflauert und dir weiß der Himmel was erzählt, ist es besser, du hörst es von mir.«
    Wolfgang sah ihn an und spürte das überwältigende Bedürfnis, aufzuspringen und laut schreiend davonzurennen. Aber natürlich blieb er trotzdem sitzen. Er war plötzlich schweißgebadet.
    Vater merkte nichts davon. Er zog das Fotoalbum heran und schlug es auf. »Ein Klon«, erklärte er dabei, »ist im Grunde nichts so Dramatisches, wie alle immer tun. Ein genetisches Duplikat, das klingt zwar schauerlich – aber was ist denn ein eineiiger Zwilling anderes? Ein Klon ist nichts anderes als ein Zwilling, nur dass er auf technischem Wege ins Leben gerufen wird und mit zeitlicher Verzögerung.« Er blätterte die Seiten aus schwarzem Karton durch. »Mit anderen Worten, wenn du mein Klon wärst, müsstest du heute ganz genauso aussehen, wie ich mit fünfzehn ausgesehen habe. Aber schau mal hier. Das bin ich mit fünfzehn.« Er schob Wolfgang das Album hin und deutete auf ein Foto, auf dem ein junger, verkrampft grinsender Richard Wedeberg in einem Garten zu sehen war.
    »Eine gewisse Familienähnlichkeit ist zwar nicht zu leugnen – die berüchtigte Wedeberg-Nase –, aber abgesehen davon käme niemand auf die Idee, dass du das sein könntest, oder?«
    Wolfgang betrachtete das Foto mit einem Kloß in der Kehle. Aber Vater hatte Recht. Der Junge auf dem Foto hatte ganz andere Gesichtszüge, eine

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