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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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die Freundschaft zu kündigen.«
    »Ha, ha«, machte Wolfgang. »Ich lache später ausführlich, okay?«
    »Du scheinst wenig amüsiert.«
    »Cem, das ist alles nicht wahr. Wenn ich der Klon meines Vaters wäre, müsste ich ihm doch ähnlich sehen. Ich müsste so aussehen wie er mit fünfzehn. Aber das tu ich nicht.«
    Cem wiegte das Haupt. »Na ja, also deine Nase…«
    Wolfgang ließ die Zeitung sinken. »Du kannst ganz still sein mit deinem Zinken. Wenn's danach geht, dann ist deine ganze Familie geklont.«
    Er erschrak über die Blicke, mit denen die anderen ihn musterten. Befremdete, neugierige Blicke. Seine Klassenkameraden sahen ihn an, als seien ihm plötzlich Hörner gewachsen oder so was.
    Cem seufzte. »Es ist einfach die Klonomanie. Sie grassiert. Eine wahre Seuche. Und jetzt geht's wahrscheinlich erst richtig los.«
    Doch in Englisch war Hemingway auf einmal kein Thema mehr, stattdessen wurde Grammatik wiederholt. Es war schon fast peinlich, wie der Lehrer sich bemühte, alles zu vermeiden, was man als Anspielung hätte verstehen können. Erst der Biologielehrer wagte es, zu dem Zeitungsartikel Stellung zu nehmen.
    »Euch ist heute Morgen sicher nicht entgangen«, meinte der »Kittel«, »dass die Zeitung mit den großen Buchstaben unseren Wolfgang für den Klon seines Vaters hält.« Er grinste süffisant. »Aus meiner Sicht wäre das durchaus wünschenswert, denn Wolfgangs Vater ist ein nicht unberühmter Mediziner. Wolfgang hätte als sein Klon ohne Zweifel wesentlich mehr Talent für Biologie, als seine Noten auch diesmal« – er zog die korrigierten Aufgabenblätter des letzten Tests aus seiner speckigen Aktentasche – »wieder offenbaren.«
    Damit war das Eis gebrochen. Der Kittel bekam sein Gelächter, und Wolfgang war zum ersten Mal froh über eine Vier minus. Die verstohlenen Blicke hörten auf. Jemand kam sogar zu der Einsicht: »Schon komisch, wie leicht man etwas glaubt, bloß weil es in der Zeitung steht.«
    Doch die Entspannung währte nicht lange. Fünfzehn Minuten vor Ende der Stunde steckte eine der Schulsekretärinnen den Kopf zur Tür herein und sagte:
    »Wedeberg? Du sollst ins Rektorat kommen. Sofort.«
    Wolfgang war noch nie im Leben ins Rektorat zitiert worden; trotzdem war ihm natürlich nicht entgangen, dass es sich dabei selten um eine angenehme Sache handelte. Er kannte die Rektorin nur vom Sehen. Frau Horn war eine schmale, ältere Frau, die aushilfsweise zwei der unteren Klassen in Mathematik unterrichtete und als streng galt. Die ausgeprägten weißen Strähnen in ihrem Haar hatten ihr den Spitznamen »Streifenhörnchen« eingebracht.
    So schlich er mit ungutem Gefühl durch die leeren Gänge, die erfüllt waren von leisem Gebrabbel, das durch die Türen der verschiedenen Schulzimmer drang. Vor der Tür zum Rektorat blieb er stehen und zögerte, anzuklopfen. Er zögerte lange genug, um zu merken, dass hinter der Tür eine heftige Diskussion im Gange war, die laut genug geführt wurde, um hier draußen jedes Wort zu verstehen. Und als er seinen Namen hörte, ließ er die Hand wieder sinken und lauschte.
    »… diesen Wedeberg von der Schule entfernen. Notfalls mit Unterstützung der Elternvertretung – und die werde ich kriegen, verlassen Sie sich darauf.« Eine höchst erregte Stimme rief das, in der Wolfgang nur mit Mühe diejenige von Herrn Glatz, ihres Religionslehrers, wiedererkannte. Bestimmt hatte er gerade auch wieder einen roten Kopf.
    »Friedhelm, ich bitte Sie. Auch ein Klon ist doch zweifellos ein Geschöpf Gottes.« Das war jetzt die Rektorin, besänftigend.
    »Das ist eben der Irrtum.« Die Stimme des Religionslehrers schnappte beinahe um. »Ein Klon ist die widernatürliche Frucht einer sündhaften Übertretung göttlicher Gesetze. Widernatürlich, verstehen Sie? Widernatürlich.« Das Wort schien es ihm angetan zu haben.
    »Das ist doch Unsinn«, entgegnete die Stimme der Rektorin. »Verurteilen muss man diejenigen, die so etwas tun, nicht ihre Opfer.«
    »Es muss etwas geschehen«, verkündete Glatz, »und es wird etwas geschehen. Verlassen Sie sich darauf.«
    Wolfgang fragte sich, was ihn erwartete. Das klang ja, als würde Glatz ihn am liebsten öffentlich verbrennen. Einen Moment erwog er, einfach wieder zu gehen, aber dann gab es eine längere Pause in dem Streit, die er nutzte, um zu klopfen und auf das »Herein!« hin ganz harmlos tuend die Tür zu öffnen.
    Glatz und die Rektorin saßen an einem Tisch und taten ebenfalls ganz harmlos, waren geradezu

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