Perfect Copy - Die zweite Schöfung
Sie?«
»Conti. Tommaso Conti.«
Wolfgang war überrascht. »Das ist ein italienischer Name.«
»Ja.«
Merkwürdig. Der Mann wirkte irgendwie nicht wie ein Italiener. »Und für welche Zeitungen arbeiten Sie?«
»Kommt darauf an. Ich bin freier Journalist. Normalerweise mache ich Auslandsreportagen.«
»Wie viele Sprachen sprechen Sie?«
»Oh, viele.« Er schien im Geist zu zählen, und er schien ziemlich viel zu zählen zu haben. »Ziemlich viele.«
»Auch Chinesisch?« Das war Wolfgang so eingefallen. Die Ausfragerei begann, ihm Spaß zu machen.
Conti wiegte den Kopf. »Na ja, es reicht, um mich zu verständigen und die Zeitungen zu lesen.«
Wolfgang musterte ihn fasziniert. Eine zickzack-förmige Narbe auf dem Rücken seiner linken Hand fiel ihm auf. »Woher haben Sie diese Narbe?«
Conti schmunzelte. »Normalerweise sage ich Bürgerkrieg in Afrika. Aber in Wirklichkeit habe ich mich mit sechs Jahren fürchterlich am Bügelbrett meiner Mutter geschnitten.«
»Am Bü gelbrett ?«, echote Wolfgang.
»Siehst du, deshalb sage ich lieber Bürgerkrieg in Afrika. Ich war allein zu Hause, das Bügelbrett war mein Pferd, und auf der Flucht vor Posträubern wollte ich ihm mit einem kühnen Satz auf den Rücken springen. Da ist es unter mir zusammengekracht, und irgendein scharfes Teil des Mechanismus ist mir reingefahren…« Er schüttelte die Hand, als schmerze schon die Erinnerung daran. »Was weiß ich. Jedenfalls habe ich nie wieder so geblutet wie damals.«
»Man hat die Wunde nicht rechtzeitig genäht«, meinte Wolfgang mit fachmännischem Blick und fügte erklärend hinzu: »Mein Vater ist Arzt. Da kriegt man so was mit.«
Tommaso Conti nickte ernst. »Ich weiß.«
Wolfgang seufzte. Die ganze Sache mit dem Klon und dem Zeitungsartikel fiel ihm wieder ein. Der Grund, warum sie hier auf der Mauer saßen. »Was soll ich denn jetzt machen?«
Der Journalist rieb sich die ausgeprägte Nase. »Ja, richtig. Also, was du tun solltest, ist, deinem Vater zu sagen, dass er so schnell wie möglich einen Rechtsanwalt einschalten muss. Sofort. Der soll heute noch bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen die Verwendung deines Bildes erwirken. Und Schadenersatz fordern. So lange die Zeitung keinen eindeutigen Beweis hat, dass du der Klon bist, hat sie nämlich dein Recht am eigenen Bild verletzt mit einer Sache wie heute Morgen.«
»Und wenn ich doch der Klon wäre?«, fragte Wolfgang säuerlich. »Hätte ich dann kein Recht am eigenen Bild?«
Conti nickte. »Ja. Aber nicht, weil ein Klon weniger Rechte hätte, sondern weil du dann – als erster Klon – eine so genannte Person der Zeitgeschichte wärst, und so jemand verliert das Recht am eigenen Bild. Der Preis des Ruhmes, könnte man sagen.«
»Ich möchte mal wissen, was um alles in der Welt eigentlich so schlimm ist an einem Klon«, sagte Wolfgang. Er sagte es mehr zu sich selbst. »Ich meine, ist doch im Grunde egal, ob man dieselbe DNS hat wie jemand anders. Das hat ein Zwilling schließlich auch.«
»Das ist die Frage«, meinte Conti.
»Was ist die Frage?«
»Ob es tatsächlich dieselbe DNS ist. Das ist etwas, was bei all diesen öffentlichen Debatten ums Klonen meistens vergessen wird: wie sagenhaft empfindlich dieses Molekül ist. Die menschliche DNS ist sage und schreibe zwei Meter lang – trotzdem findet sie, aufgerollt und zusammengewickelt, in einem Zellkern Platz, der so klein ist, dass du ihn mit bloßem Auge nicht sehen würdest. Du kannst dir also vorstellen, wie dünn dieses Molekül ist und entsprechend zerbrechlich, wenn man damit herumhantiert. Reine Desoxyribonukleinsäure ist eine zähe, wasserklare Flüssigkeit, und wenn man sie im Reagenzglas hat, reicht es, sie einfach nur umzurühren, um den Molekülstrang in lauter kurze Teile zu zerbrechen.«
Wolfgang dachte darüber nach, wie Klonen vor sich ging, versuchte sich die Prozedur vorzustellen, einer Zelle ihren Kern zu entreißen, um ihn einer anderen Zelle einzupflanzen. »Sie meinen, es kann beim Klonen zu genetischen Schäden kommen?«
»Zunächst einmal kommt es zu einer enorm hohen Rate von Fehlgeburten, was mit dieser Empfindlichkeit zusammenhängen dürfte. Und was mit den Klonen ist, die scheinbar gesund zur Welt kommen – wie wollen wir das wissen? Bisher gab es nur geklonte Tiere, und die kann man nicht fragen, wie es ihnen geht.«
Wolfgang ließ die Schultern hängen. Plötzlich war ihm das alles zu viel. »Ich will jetzt nach Hause gehen«, sagte
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