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Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Perfect Copy - Die zweite Schöfung

Titel: Perfect Copy - Die zweite Schöfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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festgehalten, auf mich eingedroschen, mir einen Schlag versetzt, der mich rücklings auf die Steine geworfen hat. Ich erinnere mich an einen furchtbaren Schmerz in der Brust, und dann… Ich weiß nicht, was genau passiert ist. Aber ich glaube, ich war eine Weile tot.«
     
    »Eine Weile tot?«, wiederholte der Kommissar mit hochg e zogenen Augenbrauen. »Das hört man in meinem Beruf eher selten.«
     
    Johannes knetete seine Hände, schien ihn nicht zu hören. »Ich war außerhalb meines Körpers, verstehen Sie? Vielleicht ist es nur eine Erinnerung, ich weiß es nicht, aber ich erinnere mich daran, dass ich mich selber da liegen gesehen habe, auf den Steinen, mit offenen Augen und verdrehten Gliedmaßen. Und alles, was ich denken konnte, war, dass ich ihm entkommen bin und dass es gut so ist. Ich habe gesehen, wie Vater sich über mich beugte und an meinem Hals herumtastete und er immer wieder sagte ›Oh, nein‹ und ›Das darf nicht wahr sein‹, hunderte Male, zumindest kam es mir so vor, immer dieselben Worte, wie ein tibetisches Mantra. Ich dachte nur, dass mein Herz aufgehört hätte zu schlagen und dass ich jetzt sterben würde. Aber dann…«
    Er schloss die Augen, verharrte einen Moment so, und niemand sagte etwas. Alles wartete gebannt.
     
    »Er sagte: ›Warte, so kommst du mir nicht davon. Wir können noch mal von vorne anfangen.‹ Ich erinnere mich genau an diese Worte. Er beugte sich über mich und… und hatte plötzlich sein Messer in der Hand, sein Taschenmesser, und… er griff nach meinem Mund und machte ihn auf und… schnitt mit einer einzigen schnellen Bewegung ein Stück Fleisch aus der Innenseite meiner Wange!« Johannes hatte blankes Entsetzen in den Augen, während er das sagte. »Es tat furchtbar weh. Ich weiß nicht, ob der Schmerz etwas damit zu tun hatte oder was es war, aber ich war auf einmal wieder in meinem Körper, sah meinen Vater über mir stehen und das Stück von meinem Fleisch in ein schwarzes Döschen tun, in eine Filmdose oder so etwas, sah den Himmel über uns, der dunkelblau war wie Flaschenglas, und aus einer Art instinkt i vem Reflex rollte ich mich zusammen und zur Seite. Ich lag ziemlich am Rand eines überstehenden Felsens, und als ich mich zur Seite drehte, fiel ich über die Kante und stürzte ins Wasser.«
     
    »Um Himmels willen«, hauchte jemand.
    »In dem Moment, in dem ich in das eiskalte Wasser gefallen bin und von der Strömung erfasst wurde, spürte ich mein Herz schlagen wie wild, konnte mich wieder bewegen, und ich schwamm um mein Leben, in jedem Sinne des Wortes.«
    »Ich erinnere mich«, stieß Mutter hervor. »Als Richard zurückkam, hatte er eine kleine Gefrierdose dabei, so eine Art winzige Thermosflasche, und ich habe mich noch gewundert, was das sollte und woher er die hatte, aber dann hat er von dem Unfall erzählt und dass du verschwunden seiest, und da habe ich natürlich nicht mehr darüber nachgedacht.« Sie hielt inne und begriff erschauernd, was das hieß. »Daraus hat er also die Zellkultur gezogen. Er muss zuerst in ein Krankenhaus gefahren sein, um die Gefrierdose zu besorgen, und erst dann ist er gekommen und hat Alarm geschlagen?!«
    »Du verstehst, warum ich nicht zurückwollte?«, fragte Johannes.
    Seine Mutter wandte sich zu der Liege um, auf die man ihren Mann gelegt hatte. »Richard? Wie konntest du nur so etwas Abscheuliches tun?«
    Doch den Bruchteil eines Augenblicks zuvor war Dr. Richard Wedeberg von der Liege geglitten, hatte dem jungen Polizisten, der davor gestanden hatte, die Waffe entrissen und presste sie ihm nun mit wilder Entschlossenheit unter das Kinn.
    »Ihr Kleingeister!«, zischte er. »Ihr erbärmlichen Gestalten. Nichts kennt Ihr als eure Paragrafen, eure Regeln und Gesetze und Vorschriften und Bestimmungen… sinnlose Worte, auf totes Papier gedruckt, das ist alles, was euch wichtig ist. Aber ich, ich wollte der Welt dieses einmalige, gottgegebene Talent erhalten, es ihr zurückgeben mit den Mitteln, die mir in die Hände gegeben waren. Versteht das denn niemand? Ist das so verdammt schwierig zu verstehen?«
    Dem jungen Polizisten quollen fast die Augen aus den Höhlen vor Schmerzen, so fest presste Wedeberg ihm den Lauf des Revolvers in den Hals. Bei jeder unbedachten Bewegung ächzte er. Auf seiner Stirn stand der Schweiß.
    »Herr Wedeberg«, mahnte der Kommissar ruhig, »das hat doch keinen Sinn, was Sie da machen –«
     
    »Für Sie immer noch Doktor Wedeberg«, versetzte Wol f gangs Vater

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