Perfect Copy - Die zweite Schöfung
reihten sich Computerbildschirme an klobige, selbst gebaut wirkende Messgeräte, wirre Geflechte gläserner Rö h ren und Kolben und Kästen, die wie zu klein geratene Mikr o wellenherde aussahen. Überall stapelten sich Papiere, Mappen und CDs. Zwischen zwei Tischen stand ein Gerät, das auf den ersten Blick wie ein angeberisch designter Geschirrspüler wirkte, auf dem aber neben einem dicken Regelknopf die Aufschrift DNA Sequencer prangte.
Zwei Frauen und ein Mann in weißen Labormänteln sahen ihnen abwartend entgegen, ein älterer, etwas gereizt wirkender Glatzkopf im Anzug – vermutlich der Justiziar – saß in einem Drehsessel, ein junger Polizist in Uniform sprang von der Tischkante auf, gegen die er sich gelehnt hatte, und ein fünfter Mann, der weder vom Aussehen noch von seiner Kleidung hierher zu gehören schien, blieb einfach sitzen. Er war braun gebrannt, hatte einen verfilzt wirkenden Vollbart und das Outfit eines Abenteurers, der gerade frisch von einer Safari kam.
Es war der Journalist, den Wolfgang unter dem Namen Tommaso Conti kennen gelernt hatte.
»Hallo, Wolfgang«, sagte er.
Dann glitt sein Blick zu den übrigen Neuankömmlingen, sprang von Gesicht zu Gesicht und blieb schließlich an einem davon hängen. Seine Stimme zitterte, als er sagte: »Hallo, Mutter.«
Julia Wedeberg riss die Augen auf, den Mund, schrie in höchster Fassungslosigkeit: »Johannes?!«
Und Dr. Richard Wedeberg fiel in Ohnmacht.
»Das finde ich jetzt reichlich ungewöhnlich«, sagte Kommissar Nolting stirnrunzelnd und im Übrigen völlig ungerührt.
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Während man seinen Vater auf die Liege bettete und ihm den jungen Polizisten zur Bewachung an die Seite stellte, erklärte Wolfgang hastig und von Rückfragen des Kommissars unterbrochen den Hergang der Ereignisse. Wichtigster Gegenstand war das Foto. »Ich habe mir bis heute immer nur den Mann angeschaut und mich gefragt, wer das sein könnte. Weil ich natürlich dachte, der Junge auf dem Bild sei ich selbst. Erst vorhin, als klar war, dass das Foto Professor Tessari und meinen Bruder zeigt, bin ich auf die Idee gekommen, genauer hinzusehen.« Er hielt es dem Kommissar unter die Nase. »Schauen Sie, die Hand, mit der er das Cello hält? Die gezackte Narbe darauf? Ich hatte diese Narbe schon einmal gesehen.« Er deutete auf die linke Hand des Journalisten. »Hier.«
»Stimmt das?«, wollte Kommissar Nolting wissen.
»Sind Sie sein Bruder?«
»Ja«, sagte der Mann mit dem wildverwegenen Aussehen. »Mein richtiger Name ist Johannes Dorn.«
»Und woher kommen Sie jetzt so plötzlich?«
»Ich habe ein kleines Büro nicht weit von hier. Ich wohne auch dort, wenn ich in Berlin bin.«
»Sie sind demnach öfter in Berlin?«
»Journalisten werden von Hauptstädten geradezu magisch angezogen.«
Aus Richtung der Liege kam ein stöhnendes Geräusch. Wolfgangs Vater schien allmählich wieder zu sich zu kommen. »Bleiben Sie noch etwas liegen«, sagte eine der Weißbekittelten zu ihm und griff nach seinem Handgelenk, um den Puls zu fühlen.
Seine Mutter saß, beobachtet von der anderen Ärztin, kreidebleich in dem Drehsessel, den der Justiziar bereitwillig freigegeben hatte. »Johannes?«, fragte sie leise. »Wie kommt es, dass du lebst?«
»Das wollte ich Sie auch gerade fragen«, fügte Kommissar Nolting hinzu und verschränkte die Arme. »Unseren Datenbanken zufolge sind Sie nämlich seit siebzehn Jahren tot. Ertrunken in Sizilien.«
Der Angesprochene nickte. »Johannes Dorn war tot. Bis heute. Bis Wolfgang mich angerufen hat und die Wahrheit wusste. Bis zu diesem Moment gab es nur Tommaso Conti.«
»Das ist keine Sichtweise, die mit unserem Rechtsverständnis in Deckung zu bringen wäre«, ließ sich der Justiziar näselnd aus dem Hintergrund vernehmen.
Johannes sah ein, dass seine Erklärung ein wenig dürftig war, holte Luft und sagte: »Ich bin damals weit entfernt von der Stelle, an der ich ins Wasser gestürzt bin, an Land gekommen. Zuerst habe ich mich in einer Höhle versteckt. Ein paar Tage danach bin ich bei einem Bauern untergekommen, erst als Helfer auf dem Hof, später dann…« Er zögerte. »Ehe ich weiterrede, brauche ich Ihre Zusicherung, dass das keine rechtlichen Konsequenzen für diejenigen hat, die mir geholfen haben.«
Nolting wechselte einen fragenden Blick mit dem Justiziar, der den Kopf missbilligend hin und her wiegte und schließlich mit einem Also-gut-von-mir-aus-Gesicht nickte.
»Geht klar«, sagte der
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