Perfect Copy - Die zweite Schöfung
Tat immer noch in besagtem Anbau befanden, denn ein unverkennbares Krakeelen und Kreischen kam aus dieser Richtung. »Es ist Fütterungszeit«, kommentierte Wolfgangs Vater mit wissendem Lächeln. Eine Schiebetür, über der ein orangerotes Warnlicht rotierte, fuhr auf, so groß, dass ein Elefant mühelos hindurchgepasst hätte, aber es kam nur ein einzelner Mann heraus, der zwei leere Holzkisten trug. Es war ein merkwürdig skurriler Anblick. Ein Geruch nach Dung wehte herüber.
Im Eingang des Hauptgebäudes, einem großen gläsernen Windfang, warteten ein halbes Dutzend Uniformierte. »Alles bereit?«, wollte der Kommissar wissen. »Ist unser Justiziar schon da? Das ist so eine Art Notar, der die Entnahme der Zellprobe überwachen muss«, erklärte er Wolfgang, der sich neben ihm hielt, auf Distanz zu seinen Eltern, die von zwei Polizisten eskortiert wurden. »Damit die ganze Sache später vor Gericht gegebenenfalls Beweiskraft hat.«
Allgemeines Kopfnicken. »Vor zehn Minuten angekommen«, hieß es. »Ist schon hoch ins Labor.«
Einer der wartenden Beamten, ein walrossartiger Mann mit Schnauzbart und unglaublich dicken Fingern, trat neben den Kommissar und sagte halblaut: »Oben wartet außerdem ein Herr von der Presse. Er hat gesagt, er sei herbestellt worden.«
»Die hören wohl das Gras wachsen, verdammt noch mal?«, zischte Nolting. »Davon weiß ich nichts.«
»Kein Problem, wir können ihn wieder rauswerfen.« Die dicken Finger zückten das Funkgerät. »Ich habe ihn vorsorglich von einem Mann begleiten lassen.«
Wolfgang zupfte den Kommissar am speckigen Ärmel seiner Jacke. »Entschuldigen Sie, aber das geht in Ordnung. Das war ich. Der ihn herbestellt hat, meine ich.«
»Warten Sie«, sagte Nolting zu dem Polizisten und sah dann missbilligend auf Wolfgang herab. »Darf man auch erfahren, wozu?«
Wolfgang nickte. »Sobald wir oben sind.«
Der Kommissar musterte ihn nachdenklich und zuckte schließlich mit den Schultern. »Macht man heutzutage wohl so, was?« Er wandte sich an den Mann hinter dem Schnauzbart. »Also, Sie haben es ja gehört. Es geht in Ordnung. Sie sichern auf jeden Fall mit Ihren Leuten das Gebäude, bis wir wiederkommen. Keine weitere Presse. Wer rauswill, darf raus, aber wer reinwill, muss sich ausweisen. Ist alles übrigens mit dem Dekan abgesprochen: nur, falls jemand zu maulen anfängt.«
Während es zu den Fahrstühlen ging, rätselte Wolfgang, was der Kommissar damit gemeint hatte, dass man das heutz u tage wohl so mache. Dann begriff er, dass Nolting wahrschei n lich annahm, er habe mit einer Zeitung einen hochbezahlten Exklusivvertrag geschlossen, was Fotos, Interviews und die sonstige Vermarktung seiner Geschichte betraf, wie das viele Leute taten, die in spektakuläre Rechtsfälle verwickelt waren.
»Daran hab ich überhaupt nicht gedacht«, murmelte Wolfgang vor sich hin, während die Aufzüge überaus gemächlich aufwärts surrten.
»Was?«, wisperte Svenja neugierig.
»Ach, nichts«, erwiderte er. »Wahrscheinlich habe ich mir bloß gerade 'ne Million durch die Lappen gehen lassen.«
Sie musterte ihn nur mit großen Augen. Wie man halt jemanden anschaut, der allem Anschein nach dabei ist, den Verstand zu verlieren.
Die oberen Stockwerke waren bei weitem nicht so licht und großzügig gebaut wie die Eingangshalle, im Gegenteil: Die Gänge waren schmal, hoch und dunkel, die Wände aus freudlos grauem Sichtbeton. Einzig die Türen, von denen jede in einem anderen knalligen Farbton gestrichen war, boten dem Auge Erfreuliches, doch kleine Plastikschilder, die alle paar Meter an dünnen Ketten von der Decke hingen, warnten: Vorsicht! Türen öffnen zum Gang hin. Entlang der Wände reihten sich Aktenschränke jeder Art und Größe, die meisten sorgsam verschlossen, aber manche standen auch unbekümmert offen, voll gestopft bis zum letzten Winkel mit Aktenordnern, B ü chern und Stapeln von Computerbändern.
Eine dunkelgrüne, breite Tür am Ende des Ganges führte in ein, wie das Türschild verhieß, Humandiagnostisches Labor. In einer Ecke stand eine wuchtige Liege, umringt von allerhand höchst medizinisch aussehenden Gerätschaften, der Rest des Raumes sah aus wie eine Kreuzung aus einer Arztpraxis und einer Bibliothek. Neben einem Regal mit Ordnern und buntr ü ckigen Büchern stand ein Kühlschrank, durch dessen gläserne Tür man zahlreiche Gestelle mit ordentlich aufgereihten, kleinen Röhrchen darin sah. Auf langen, glänzend weißen Tischen
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