Perfekt! Der überlegene Weg zum Erfolg (German Edition)
Objektivität. Aber wie objektiv ist ein Forscher, dessen Perspektive von vielen Annahmen und vorgefertigten Theorien geprägt ist? Die Lebenswirklichkeit der Pirahã konnte nur von innen betrachtet werden, indem man an ihrer Kultur teilnahm. Das macht den Beobachter nicht plötzlich subjektiv. Ein Wissenschaftler kann an etwas teilnehmen und seine Urteilskraft bewahren. Everettdistanzierte sich von der Pirahã-Kultur, um seine IEP-Theorie zu formulieren. Intuition und Rationalität, Innenansicht und Wissenschaft können koexistieren. Everett brauchte viel Mut, um sich für ein Eintauchen in die Kultur zu entscheiden. Er musste sich den physischen Gefahren eines Lebens im Dschungel aussetzen. Seine Entscheidung führte zu schwierigen Konfrontationen mit anderen Linguisten und all den Problemen, die ein solcher Konflikt für seine akademische Karriere bedeutet. Sie führte zu seiner Abwendung vom Christentum, das ihm als junger Mann so viel bedeutet hatte. Aber er musste es tun, um die Wahrheit herauszufinden. Durch seine ungewöhnliche Vorgehensweise meisterte er ein unglaublich komplexes Sprachsystem und er gewann wertvolle Erkenntnisse über die Kultur der Pirahã und über die Bedeutung von Kultur generell.
Wir können niemals die exakt selben Erfahrungen machen wie ein anderer Mensch. Wir bleiben bis zu einem gewissen Grad immer Zuschauer, was zu vielen Missverständnissen und Konflikten führt. Aber die menschliche Intelligenz entsteht hauptsächlich durch die Entwicklung von Spiegelneuronen (siehe Seite 10), durch die wir uns in andere hineinversetzen und uns ihre Erfahrungen vorstellen können. Wenn wir ständig mit Menschen Kontakt haben und uns in sie hineinversetzen, lernen wir ihre Perspektive immer besser kennen, aber wir müssen uns darum bemühen. Normalerweise projizieren wir unser eigenes Glaubens-und Wertesystem auf andere, ohne dass es uns auffällt. Wenn wir eine fremde Kultur studieren wollen, müssen wir unsere empathischen Fähigkeiten einsetzen und an dieser Kultur teilnehmen. Nur so können wir diese natürliche Projektion überwinden und die Erfahrungswelt dieser anderen Kultur tatsächlich kennenlernen. Dazu müssen wir unsere Angst vor dem Anderen und dem Ungewohnten überwinden. Wir müssen uns auf das Glaubens- und Wertesystem dieser Kultur einlassen, ihre Leitmythen und ihre Weltsicht. Ganz langsam wird sich die Linse, durch die wir sie betrachten, entzerren. Indem wir tiefer in ihre Andersartigkeit vordringen, und fühlen, was die Menschen in dieser Kultur fühlen, entdecken wir den Grund für ihre Andersartigkeit und wir lernen etwas über die menschliche Naturethik. Dies gilt für Kulturen, einzelne Menschen und sogar Buchautoren. Nietzsche schrieb: »Sobald ihr gegen mich empfindet, versteht ihr meinen Zustand und folglich meine Argumente nicht! Ihr müßt Opfer derselben Leidenschaft sein!«
7. Fassen Sie alle Wissensformen zusammen – Der/Die Universalgelehrte
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) hatte keine glückliche Kindheit in Frankfurt am Main. Sein Vater war ein erfolgloser und verbitterter Lokalpolitiker und er hatte sich von seiner jungen Frau entfremdet. Er ließ seinem Sohn die bestmögliche Ausbildung zukommen, um seine eigene Erfolglosigkeit auszugleichen. Johann lernte die feinen Künste, Naturwissenschaften, mehrere Sprachen, verschiedene Handwerke, Fechten und Tanzen. Aber er ertrug das Leben zu Hause unter den wachsamen Augen seines Vaters kaum. Als er endlich zum Studium nach Leipzig zog, war es wie eine Befreiung aus einem Gefängnis für ihn. All seine aufgestauten Energien, seine Ruhelosigkeit, sein Verlangen nach Frauen und Abenteuern brachen sich plötzlich Bahn, und er geriet außer Rand und Band.
Er wurde zum Lebemann, trug die modischsten Kleider und verführte jede junge Frau, derer er habhaft werden konnte. Er stürzte sich ins intellektuelle Leben von Leipzig. In allen Tavernen diskutierte er mit Professoren und Kommilitonen über Philosophie. Seine Vorstellungen waren ungewöhnlich – er schimpfte auf das Christentum und sehnte sich nach der heidnischen Religion der alten Griechen. Ein Professor bemerkte: »Er muß, wie man fast durchgängig von ihm glaubte, in seinem Obergehäuse einen Sparren zu viel oder zu wenig haben.«
Als sich der junge Johannschließlich verliebte, war auch der letzte Rest von Selbstbeherrschung vergessen. Seine Freunde machten sich Sorgen um ihn wegen der Briefe, die er ihnen über seine Liebesaffäre schrieb. Er
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