Perfekt
jetzt genau zu«, sagte die Stimme. »Gehen Sie zum Auto zurück, verschließen Sie die Türen und fahren Sie sofort ein Stück weiter. Bleiben Sie nicht in der Gegend, in der Sie ihn zuletzt gesehen haben. Fahren Sie bis zur nächsten Ortschaft, und rufen Sie uns von dort aus wieder an. Wir werden die Polizei verständigen, und die werden Sie dann abholen. Fahren Sie jetzt, Miß Mathison!«
»Ich will nach Hause«, flehte Julie in einem Anfall echter Verzweiflung. »Ich will zu meiner Familie. Ich will nicht in Oklahoma bleiben und auf irgend jemand warten. Ich kann nicht! Ich habe nur angerufen, um Sie wissen zu lassen, daß ich auf dem Heimweg bin.« Sie hängte den Hörer ein und lief zu ihrem Auto zurück. Und sie dachte nicht im Traum daran, von der nächsten Ortschaft aus anzurufen.
Zwei Stunden später hatte der Hubschrauber, der ausgeschickt worden war, die widerspenstige Geisel zu suchen, den Blazer auf dem dunklen texanischen Highway entdeckt und machte Meldung. Wenige Minuten, nachdem sie ihn bemerkt hatte, rasten mehrere Polizeiautos mit Blaulicht über den Highway, bezogen vor und hinter ihrem Wagen Stellung und eskortierten sie den restlichen Weg nach Hause. Oder wollten sicherstellen, so dachte Julie nervös, daß Zack Benedicts Komplizin es sich nicht doch noch anders überlegte und sich abzusetzen versuchte, bevor sie Gelegenheit gehabt hatten, sie zu verhören.
Die Erkenntnis, daß die Polizei offensichtlich nach ihr genauso gefahndet hatte wie nach Zack, war erschreckend. Außerdem haßte Julie die offizielle Eskorte, die sie nicht aus den Augen ließ - bis sie Keaton erreichte und in die Nähe ihres Elternhauses kam. Obwohl es zwei Uhr nachts war, wimmelte es nur so von Reportern, und als sie aus dem Auto stieg, traf sie ein Hagel von Blitzlichtern. Drei texanische Polizisten und ihre beiden Brüder waren nötig, um sie sicher durch die Trauben von Reportern, die sie mit Fragen bombardierten, zum Haus zu geleiten.
Im Inneren des Hauses warteten zwei FBI-Agenten, doch ihre Eltern drängten sich an ihnen vorbei und schlossen Julie liebevoll in ihre Arme. »Julie«, sagte ihre Mutter immer wieder, drückte sie weinend und lachend an sich und wollte sie überhaupt nicht mehr loslassen. »Meine Julie, meine kleine Julie.« Auch ihr Vater umarmte sie und sagte: »Gott sei Dank, Gott sei Dank!« Julie merkte, wie ihr die Tränen in die Augen traten, weil sie niemals bewußt wahrgenommen hatte, wie sehr sie sie liebten. Ted und Carl nahmen sie in die Arme und versuchten, über ihr »Abenteuer« Späße zu machen, aber auch sie sahen mitgenommen aus und wirkten abgespannt. Die Tränen, mit denen sie die letzten vierundzwanzig Stunden gekämpft hatte, schossen ihr jetzt aus den Augen und strömten über ihre Wangen. In den letzten zehn Jahren hatte sie kaum jemals geweint - die wenigen Tränen, die sie vergossen hatte, waren im Kino bei sentimentalen Filmen geflossen -, aber in der letzten Woche, so schien es ihr, schwamm sie geradezu in Tränen. Das mußte, entschied sie, jetzt augenblicklich ein Ende haben. Das rührende Familienglück wurde von dem blonden FBI-Agenten unterbrochen, der entschlossen vortrat und ruhig, aber bestimmt sagte: »Es tut mir leid, Sie stören zu müssen, Miß Mathison, aber die Zeit drängt, und wir haben eine Menge Fragen, die Sie uns beantworten müssen. Ich bin David Ingram, wir haben vorhin schon am Telefon miteinander gesprochen.« Er deutete auf den hochgewachsenen, dunkelhaarigen Agenten neben sich: »Das ist FBI-Agent Paul Richardson, der im Fall Benedict das Sagen hat.«
Mrs. Mathison meldete sich zu Wort: »Gehen wir doch ins Eßzimmer. Dort am Tisch ist Platz genug für uns alle.« Dann fiel ihr ein, was Julie immer über all ihre Kinderwehwehchen hinweggetröstet hatte, und sie fügte hinzu: »Ich hole etwas Milch und ein paar Plätzchen und mache eine Kanne Kaffee.«
»Nein, bedaure, Mrs. Mathison«, sagte Paul Richardson freundlich, aber bestimmt. »Ich denke, diese Befragung fin-det besser ohne die Familie statt. Ihre Tochter kann Ihnen ja morgen früh alles erzählen.«
Julie war mit Ted und Carl zusammen auf dem Weg ins Eßzimmer gewesen, blieb bei diesen Worten aber stehen und drehte sich um. Sie bemühte sich daran zu denken, daß diese Männer ja eigentlich keine Feinde waren, sondern nur ihren Job machten, und sagte ruhig, aber mit Nachdruck: »Mr. Richardson, ich kann mir vorstellen, wieviel Ihnen daran liegt, Ihre Fragen zu stellen, aber meine
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