Perfekt
hochkam. Er trat in das Scheinwerferlicht und bedachte den Schauspieler mit einem wütenden Blick. »In meinem Hotelzimmer hast du sie nicht wie ein schüchterner Sängerknabe geküßt, Austin. Laß uns anstelle dieser amateurhaften Vorstellung hier ein klein bißchen von jener feurigen Szene sehen.«
Austins Gesicht - sein jungenhaftes Aussehen erinnerte immer wieder an Robert Redford - lief puterrot an. »Herrgott noch mal, Zack, kannst du dich nicht wie ein erwachsener Mann benehmen ...«
Zack ignorierte ihn. Er fuhr jetzt Rachel an und sagte mit unerwarteter Brutalität: »Und du, du solltest scharf auf ihn sein und nicht so aussehen, als wärst du gerade bei der Maniküre, wenn er auf dich losgeht.«
Die nächsten beiden Aufnahmen waren sehr gut, und das ganze Produktionsteam wußte das. Doch beide Male unterbrach Zack die Szene, bevor Rachel nach dem Gewehr greifen konnte, und ließ sie das Ganze wiederholen. Teilweise tat er es, weil es ihm eine perverse Befriedigung verschaffte, die beiden zu zwingen, jene ehebrecherische Grabscherei und Koserei, die ihn öffentlich zum Trottel gestempelt hatte, vor aller Augen zu wiederholen. Hauptsächlich jedoch ließ er die Szene wiederholen, weil er das Gefühl hatte, daß irgend etwas daran noch nicht stimmte. »SCHNITT!« rief er, auch die vierte Aufnahme abbrechend, und trat nach vorne.
Wütend und kampflustig erhob sich Austin aus dem Stroh. Er hatte den Arm um Rachel gelegt, die sensibel genug war, verlegen und nicht weniger wütend zu sein. »Hör zu, du sadistischer Hurensohn, die beiden letzten Aufnahmen waren absolut in Ordnung! Sie waren perfekt«, tobte Austin. Doch Zack ging nicht darauf ein. Er entschloß sich, die Szene so zu drehen, wie er sie gestern in Gedanken durchgespielt hatte.
»Seid ruhig und hört zu«, schnappte er, »wir werden das Ganze einmal anders probieren. Unabhängig davon, was sich der Autor bei dieser Szene gedacht hat, ist es doch so, daß Johanna in dem Moment, in dem sie auf ihren Liebhaber schießt - und sei es auch nur aus Versehen -, all unser Mitgefühl verliert. Der Mann war von ihr besessen, sexuell und gefühlsmäßig. Sie hat ihn benutzt, um ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen, jedoch nicht im Traum daran gedacht, wegen ihm ihren Mann zu verlassen. Sie muß einfach vor ihm verwundet werden, sonst ist er das einzige Opfer in dem Film, und dabei geht es doch darum zu zeigen, daß sie alle Opfer sind.«
Zack hörte überraschtes Gemurmel und zustimmende Bemerkungen, aber er brauchte keine Bestätigung. Er wußte jetzt, daß er recht hatte. Rachel und Tony schienen mit der Änderung einverstanden zu sein. Zack sagte höflich zu ihnen: »Noch ein letztes Mal, und dann sind wir, glaube ich, durch. Ihr braucht nichts weiter zu tun, als beim Kampf um das Gewehr darauf zu achten, daß Johanna als erste verwundet wird.«
»Und was dann?« wollte Tony wissen. »Was mache ich, wenn ich merke, daß ich sie getroffen habe?«
Zack überlegte einen Moment und sagte dann entschieden: »Sieh zu, daß sie das Gewehr in die Hand bekommt. Du hast nicht vor, sie zu verletzen, aber das will sie nicht wahrhaben. Du weichst zurück, aber nun hat sie das Gewehr, und weinend zielt sie auf dich. Du weichst weiter zurück, Rachel«, er wandte sich ihr zu, »ich will dich weinen sehen, bevor du die Augen zumachst und abdrückst.«
Er trat an seinen Platz zurück. »Klappe ...«
Der Kameraassistent stellte sich mit der Synchronklappe vor die laufende Kamera. »Szene 156, Klappe fünf!«
»Action!«
Dies würde die letzte Aufnahme sein, eine perfekte Aufnahme - Zack fühlte es, als er zusah, wie Austin Rachel packte und sie auf die Strohballen hinabdrückte, sie gierig anfaßte und wild küßte. Es gab keinen Dialog, aber später würde die Handlung mit Musik unterlegt werden. Deshalb hatte Zack die Möglichkeit dazwischenzurufen, als Rachel nach dem Gewehr griff und es zwischen sich und ihren Liebhaber schob. Er feuerte sie an: »Kämpfe!« schrie er, und fügte ironisch hinzu: »Stell dir vor, er wäre ich!« Dieser Trick wirkte, sie kreischte und hämmerte mit den Fäusten gegen Tonys Schultern, das Gewehr fest in der Hand.
Später würde ein echter Gewehrschuß statt des weichen Klick des Schlagbolzens auf eine leere Patronenhülse hineinsynchronisiert werden, und während Tony Rachel das Gewehr zu entreißen versuchte, wartete Zack auf den richtigen Augenblick, um »Schuß!« rufen zu können, woraufhin Tony abdrücken sollte. Rachel
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