Performer, Styler, Egoisten
zu erzielen. Was hier nach der Kunst greift, ist eine instrumentelle Vernunft, deren oberste Regel die Verwandlung aller kreativen Hervorbringungen von Künstlern in Waren ist. Bereits in seinem 1947 in den USA publizierten Buch „Zur Kritik der instrumentellen Vernunft“ hat Max Horkheimer die Ökonomisierung der Kunst erkannt und ihre Instrumentalisierung für den Profit folgendermaßen beschrieben: „Um zu beweisen, dass er mit Recht gedacht wird, muss jeder Gedanke ein Alibi haben, muss er seine Zweckmäßigkeit verbürgen. (...) Denken muss an etwas gemessen werden, das nicht Denken ist, an seiner Wirkung auf die Produktion oder seinem Einfluss auf das gesellschaftliche Verhalten: Wie die Kunst heute letzten Endes in jedem Detail an etwas gemessen wird, das keine Kunst ist, ob es sich um die Theaterkasse oder den Propagandawert handelt.“ (Horkheimer 1967: 65)
Ökonomisierung der Bildung und die halbierte Vernunft
Aber kommen wir zur Bildung zurück. Woran zeigt sich nun der Zugriff der Marktlogik auf Bildungstheorie und Bildungsinstitutionen? Gibt es treffende Beispiele dafür? Natürlich unzählige. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist das ganze Land zunehmend mit Ausbildungseinrichtungen überzogen worden, die nicht Allgemeinbildung, sondern in hochspezialisierten Ausbildungsgängen fast ausschließlich unmittelbar arbeitsmarktkompatible Fertigkeiten vermitteln, gegen die ja nichts einzuwenden wäre, würden sie im Verbund mit geistes- und kulturwissenschaftlichen Inhalten gelehrt. Zudem wachsen elitäre Bildungseinrichtungen wie Pilze aus dem Boden, an denen die Oberschichten und Teile der aufstiegsorientierten Mittelschichten ihre Kinder für teures Schulgeld für ihre Rolle als zukünftige Wirtschaftseliten trainieren lassen können. Ein besonders faszinierendes Beispiel ist die Katharinenschule in der Hamburger Hafencity, dem Eldorado der neoliberalen Glücksritter und der neureichen, aber kulturlosen Managereliten, wo man zum Preis von 20 Euro und mehr pro Quadratmeter standesgemäß zur Kaltmiete wohnen kann. Die Einfachheit des Denkens dieser Eliten drängt sich uns auf, wenn wir im Werbeprospekt der Schule lesen: „Die Schulkinder genießen ihre Pause auf dem wohl höchsten Pausenhof der Stadt mit spektakulärem Panorama und lernen so eine wichtige unternehmerische Tugend: den Weitblick.“ (Zitiert nach FAZ vom 15. März 2012) Folgt man der Idee der Kausalität zwischen der Höhe des Ausbildungs- und Wohnortes und der unternehmerischen Qualifikation, dann müsste wohl die Unternehmerelite aus den obersten Stockwerken der Wiener, Berliner und Hamburger Sozialbauten kommen. Die Eliten wohnen ja, wie wir wissen, nicht so hoch, sieht man sich beispielsweise ihre Villen im Nobelviertel Hamburgs, Blankenese, an. Die Eigenheime sind da selten höher als zwei Stockwerke. Also keine brauchbare Architektur, um die unternehmerische Tugend des Weitblicks einüben zu können.
In welche Richtung die dominanten bildungspolitischen Konzepte gehen, zeigt auch die Debatte um den Kunstunterricht, die vor einigen Jahren in Hamburg geführt wurde. Die Abschaffung des Kunstunterrichts wurde dort gefordert, weil er keine brauchbaren Kompetenzen für das (Über-)Leben in einer Marktgesellschaft liefern würde. Der Angriff auf den Kunstunterricht konnte letztendlich nur durch eine Argumentationsweise abgewehrt werden, die dem Repertoire der instrumentellen Vernunft entnommen war: Der Kunstunterricht durfte bleiben, weil seine Befürworter glaubwürdig argumentierten, dass das Gehirn beim Kunstunterricht mit komplexen Strukturen umzugehen lerne, was später im Berufsleben helfen würde. Die konservative FAZ kommentierte den Vorgang wie folgt: „Die Ökonomisierung des Denkens ist offenbar so weit vorangeschritten, dass auch die Verteidigung des Kunstunterrichts nicht mehr auf einen Common Sense setzen kann, nach dem Beschäftigung mit Kunst nicht begründungsbedürftig, sondern Ziel an sich ist.“ (ebd.)
Die Hamburger Debatte um den Kunstunterricht ist nur eines der Schlaglichter, die den gegenwärtigen Umgang mit Bildungsinhalten beleuchten. Frei nach dem marktgesellschaftlichen Konzept, nach dem sich alles, was Bestand und Bedeutung haben will, den Imperativen des Marktes beugen muss, wird auch mit Bildungsinhalten umgegangen. Denn nicht immer gingen in den letzten Jahren die Debatten so aus, wie das Hamburger Beispiel zeigte. Mehrheitlich fielen Kunst- und Musikunterricht und generell
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