Performer, Styler, Egoisten
zu richten und nicht umgekehrt. Damit ist der Markt vom Mittel zum Zweck geworden. Er und seine Imperative sind der Gradmesser menschlichen Handelns und Denkens, nicht Werte der Menschlichkeit und Gemeinschaftlichkeit. Sie werden bestenfalls noch in Sonntagsreden beschworen und sind damit reine Ideologie ohne Bezug zum Handeln der RednerInnen und der Institutionen, für die diese stehen. Schon in den 1980er Jahren hat Peter Sloterdijk in seinem berühmten Buch „Kritik der zynischen Vernunft“ das Auseinanderfallen von Diskurs und Handeln als das Signum unserer Zeit beschrieben. Wir müssen also davon ausgehen, dass Sprachhandlungen heute wenig Verbindlichkeit haben. Sprechen und Handeln lösen sich voneinander ab, weil der Zusammenhang zwischen dem, was einer redet, und dem, was einer tut, in einer unübersichtlichen Gesellschaft wie der unseren nicht mehr nachvollziehbar ist. „Was einer redet und einer tut, ist in der Unübersichtlichkeit der Verhältnisse, in denen das Gedächtnis durch die Eindrücklichkeit der Augenblicke ersetzt zu werden droht, schwer auf Kongruenz zu prüfen. (...) Auf das politische Reden, auf das öffentliche Wort wird nicht mehr viel gegeben, es sei denn, die Sache ist klar und es wird nicht mehr erwartet als eine Rede, die sich bei dieser Gelegenheit einmal hören lassen kann.“ (Meyer 1994: 167f.)
Ökonomisierung am Beispiel von Kultur und Bildung
Was Vermarktgesellschaftung und Ökonomisierung in der Praxis bedeuten, das zeigt der Umgang mit Kunst und Kultur in unserer Gegenwart. Die Theorie zur Herabstufung der Kunst auf das Niveau einer Handelsware liefern die Autoren des Buches „Der Kulturinfarkt. Von allem zu viel und überall das Gleiche“. Interessant ist, dass gerade in der Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Blick auf dieses Buch „die Verwüstung, die marktorientiertes Denken in der Sprache anrichtet“ kritisiert wurde. Daran zeigt sich einmal mehr, dass es vor allem konservative und kommunitaristische Gruppen und Denker sind, die sich gegen die Verallmächtigung und Verallgemeinerung des Kapitalismus zur Wehr setzen, wie zum Beispiel auch der amerikanische Philosoph Michael J. Sandel, der mit seinem Buch „Was man für Geld nicht kaufen kann“ als einer der Wenigen eine Debatte über die moralischen Grenzen des Marktes zu initiieren versucht. Ganz im Gegensatz dazu ist das Schweigen vor allem der europäischen Sozialdemokratie kaum zu überhören, wenn es um dieses Thema geht. Die Frage, die sich hier stellt, ist: Stehen sie tatsächlich in Theorie und Praxis auf der Seite des Neoliberalismus oder haben sie lediglich die reflexive Kompetenz verloren, um sich kritisch mit der Ökonomisierung des gesellschaftlichen Lebens auseinanderzusetzen?
Was aber sind nun die Argumente der marktliberalen Kunsttheoretiker? Im Kern geht es darum, dass die Kunst, schon bevor sie zur kreativen Aktion schreitet, an die Marktchancen ihrer „Produkte“ denken und dementsprechend markt- und zielgruppenorientiert produzieren soll. Ein Unternehmer-Künstler wird gefordert, der an nach Marktgesichtspunkten reformierten Kunstakademien ausgebildet werden soll. Der neue, zeitgemäße Künstler muss sich als Unternehmer begreifen, der für ein spezifisches Marktsegment, für eine spezielle Zielgruppe produziert. „Der Künstler soll endlich einsehen, dass auch er nur ein Unternehmer ist, der sich den Gesetzen des Marktes zu beugen und nach Nachfrage zu produzieren hat; er soll nicht die Frechheit besitzen, außerhalb der kommerzialisierten Alltagswelt seltsame Sachen wie Theorien oder Konzeptkunst herzustellen.“ ( FAZ vom 15. März 2012)
Wenn wir die Forderungen der Autoren des oben angeführten Buches zu Ende denken, dann sehen wir, dass die Kunst, indem man sie auf die Imperative des Marktes verpflichtet, ihre Unabhängigkeit und Freiheit verliert. Sie ist nicht mehr Selbstzweck, hat keinen Eigenwert mehr, sondern ist nur mehr ein Mittel zum Zweck, und dieser Zweck liegt außerhalb ihrer selbst in den Märkten. Damit wird die Kunst instrumentalisiert, für etwas in den Dienst genommen, was nicht zu ihrem Wesen gehört, für die Tauschwertproduktion auf den kommerziellen Märkten. Die Kunstproduktion ist damit nicht mehr ästhetischen Kriterien und der kritischen Reflexion ihrer gesellschaftlichen Umwelt verpflichtet, sondern der Anpassung an die Regeln eines Kunstmarktes, der in erster Linie das Ziel verfolgt, durch den Handel mit Kunstobjekten möglichst hohe Erträge
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