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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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wie ein Wunder – ein Rest von Mitsouko, Monas Parfüm. Sie hatte offenbar geschlampt: Für die kommende Auktion fehlten noch Ergänzungen zur Provenienz diverser Lose. Gar nicht ihre Art, was war mit ihr los? Halb konzentriert blickte ich auf den Bildschirm, während meine Gedanken wieder zu dem Mord abdrifteten. David Perlensamt war eine merkwürdige Figur. Ich sah uns beide durch den Innenhof gehen, hörte seine Ausführungen über das Haus und seine Bewohner und mußte innerlich grinsen: ein deutsches Märchen. Gruselig. Grausam. Rätselhaft. Die Umstände des Mordes fügten sich in die Geschichte des düsteren Hauses.
    »Warum«, fragte ich laut, »hat er sie getötet?«
    In diesem Augenblick kam Mona herein. Sie guckte verdutzt. Es war immer noch früh, gegen acht. Sie hatte wohl damit gerechnet, die erste zu sein.
    »Die Jungfrau mit dem zweiten Gesicht am noch unschuldigen Morgen. So früh und schon so heiß. Ich konnte nicht schlafen. Was ist mit dir?«
    »Warum hat er sie getötet?«
    »Dann habe ich doch richtig gehört. Der Jagdhund hat die Schleppe in der Nase. Laß mich raten, Jungfrau, du konntest auch nicht schlafen. Die Analyse der Verhältnisse treibt dich um. Du willst es genau wissen. Verzehrst dich danach. Hast du wenigstens ein schlechtes Gewissen, weil du mich gestern einfach im Stich gelassen hast?«
    Sie warf ihre Sachen ab, eine fast koffergroße Schultertasche, drei Zeitungen und einen Sonnenhut. Dann stieg sie die Leiter hinauf, um einen dicken Band über französischen Realismus aus dem Regal zu ziehen.
    »Hier, mein Stier: hast die Schulaufgaben nicht gemacht, Herrn Dingsbums aus Genf nicht geschrieben, daß uns die Fayence nicht gefällt. Wir nehmen sie nicht. Sie stinkt. Soll er uns gescheite Papiere beibringen. Losnummer 73 fällt aus. Verdammt, wieso mache ich eigentlich deine Arbeit?«
    Von oben starrte sie auf mich herab. Ein hinreißendes Bild. Einige von den roten Locken fielen in die sommersprossige Stirn, Bronzetupfen auf Sandstein. Wo hatte ich das schon einmal gesehen? Vielleicht bei einer Stifterfigur am Straßburger Münster? Warum hatte ich sie nie gefragt, ob sie mit mir – ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Mona piepste erschrocken, als wollte sie mir bedeuten, daß sie keine Stifterfigur war. Sie saß immer noch in der Patsche und drohte, elendig zu ertrinken, während ich versuchte, mich elegisch zu erinnern.
    »Sorge dich nicht, ich ahnte es. Ich habe dir bereits das Leben gerettet. Wir schieben eine andere Vase ein, Sèvres, selbe Zeit, paßt vorzüglich ins Programm. Ich habe die Änderung bereits im Online – Katalog nachgetragen. Next!«
    »O, Martini, ich liebe dich.«
    »Lieber nicht.«
    »Ich habe dir dein Jahreshoroskop aus dem Ex-Berliner mitgebracht. Im Zustand unkontrollierter Hormonausschüttung sind Sie überwältigend. Ihr Opfer weiß nicht, wie ihm geschieht, bis es am nächsten Morgen seine Unterwäsche am Kronleuchter hängen sieht.«
    Mona, den großen Schinken in der Hand, stand wartend auf der Leiter. Ich wartete auch. Ich stellte sie mir inmitten der Kohlegruben vor, mit schwarzen Pfoten und schwarzem Gesicht, ein Kind, dem man die Nase putzen muß. Man tut es nicht. Das Kind sieht so reizend verrußt aus, so ein kleiner dreckiger Feger. Mona war schön. Sie war begabt. Sie war klug. Sie war promoviert. Sie sprach russisch, weil ihr Vater überzeugter Kommunist gewesen war, bevor er an einer Staublunge starb. Sie war stolz auf die Damenversion eines Stemmeisens, die sie ihr eigen nannte. Damit hatte sie die Kacheln ihres Badezimmers abgeschlagen, bevor sie sich eine sündhaft teure türkische Version einbauen ließ. Damit und mit einer gehörigen Portion Aberglauben hatte sie der Trauer über den Tod ihres Vaters entgegengewirkt.
    »Traurigkeit mag Wasser nicht, sieht sie Wasser, flieht sie dich.«
    Ihr Gesicht hatte einen gravitätischen Ausdruck angenommen, als sie diese Zauberformel sprach. Wofür der ganze Hokuspokus bei ihr stand: der Kreis der Sterne, die Zeichen und Symbole, die unterirdischen Verbindungen und überirdischen Klänge, weiß ich nicht. Vielleicht war es einfach nur der Ausgleich für ihren sonst so pragmatischen Verstand und ihr zupackendes Wesen. Ich hatte sie einmal in London inmitten von Portern und niederem Personal erlebt. Es war der Tag vor einer Auktion gewesen. Nichts für zarte Gemüter. Ihre sanfte Stimme hatte die Richtung vorgegeben. Dann hatte sie selbst angepackt. Hoheitsvolles Gebaren mischte sich

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