Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
Vom Netzwerk:
ihr also ausnahmsweise ein paar Erkundigungen abnehmen. Ich rief in Paris an. Es gab mindestens zwei Versionen des Bildes vom Meer am Quai d’Orsay, zwei hingen zur Zeit in der Ausstellung im Parterre, vielleicht war noch eines im Magazin. Man konnte – oder wollte – mir nicht auf Anhieb sagen, wem sie gehörten. Leihgaben – vielleicht. Anonyme Schenkungen – möglich. Käuflich erworben – unwahrscheinlich. Ja, sicher, man hatte den dunklen Pool im Blick, in dem nach 1945 so viele Bilder zusammengefaßt worden waren. Deutschland hatte, so nennt man das in der Fachsprache, en gros an Frankreich restituiert. Für die Verteilung an die ehemaligen Eigentümer war der französische Staat zuständig, der sich genauso behäbig benahm wie der deutsche … Das Motiv der Bilder, erläuterte man mir, war identisch, aber die Formate waren unterschiedlich. Die Beschreibung nützte den Kollegen wenig. Das Bild mochte verkleinert worden sein. Ich sollte das Original aus dem Rahmen nehmen und prüfen. Im übrigen erbat man eine Abbildung des Gemäldes per E-Mail, am besten auch eine Aufnahme der Rückseite und Angaben zur Plazierung der Signatur. Ich fragte nach zusätzlichen Informationen, ob sie wüßten, daß ein solches Motiv möglicherweise Raubgut aus einer französischen Privatsammlung gewesen sei, und brachte die Camondos ins Spiel. Man hielt sich auch in dieser Frage mit der Antwort zurück. Nicht gerade kooperativ.
    Ich rief den deutschen Anbieter an. Niemand nahm ab. Als Adresse war ein neues Gebäude in Tiergarten angegeben. Unbekannt im Kreis gängiger Adressen. Vielleicht ein Zwischenhändler. Das munterte mich nicht gerade auf. Aber ich sehe schnell Gespenster. Alle in dieser Branche sehen schnell Gespenster. Als die Antwort aus Paris endlich kam, bestätigte sich, daß die Informationen nicht reichten. Es gab in der Tat mehrere Bilder dieses Motivs, nicht nur die zwei im Musée d’Orsay. Weitere Prüfungen waren erforderlich. Am Original. Ohne Rahmen. Ich mußte Mona darauf aufmerksam machen, daß möglicherweise zu wenig Zeit bis zum Einlieferungsschluß im Oktober/November bliebe und das Bild vielleicht erst in der übernächsten Auktion angeboten werden könnte.
    Gegen sechs tobte über der Stadt ein heftiges Gewitter. Es hagelte. Ich sah eiergroße Körner vor dem Bürofenster durch die plötzliche Dunkelheit auf das Bordsteinpflaster knallen. Kristallgeschosse. Wie von Fabergé ziseliert.

FÜNF
    Mona war von ihrem Auswärtstermin nicht zurückgekehrt. Henriette hatte Schluß gemacht. Gegen halb acht warf ich den Regenmantel über die Schulter und verließ das Büro. Die Straße dampfte. Der Himmel war nach wie vor dunkel, die Hitze aber zurückgekehrt. Ich war nicht gerade bester Laune. Ich ärgerte mich immer noch über Mona und »ihr« deutsches Thema. Warum berührte mich das so? Was ging mich das an? Ich kramte in mir herum und konnte keinen Grund ausmachen. Das brachte mich noch mehr gegen mich auf. Ich radelte durch die Fasanenstraße und hielt wieder vor dem Tor. Und dann stand David vor mir.
    »Aber heute Abend werden Sie ein Glas mit mir trinken, nicht wahr?«
    Ich trat einfach ein. Ohne ja oder nein gesagt zu haben, folgte ich ihm. Als ich auf dem Klingelschild der Etage den Namen las, dachte ich, nun unbedingt etwas sagen zu müssen.
    »Ich weiß nicht, wie man sich in diesem Fall verhält. Es ist das erste Mal, daß ich mit einer solchen Situation konfrontiert werde.« Ich wies hilflos auf das Klingelschild. »Ich habe natürlich von dem Unglück gelesen, das Ihre Mutter traf. Es tut mir leid.«
    Perlensamt atmete hörbar durch. »Auch ich bin das erste Mal mit so einer Situation konfrontiert und weiß nicht, wie man sich verhält. In den Zeitungen hat man mir das übel angekreidet. Als müsse es für einen Mord in der eigenen Familie Konventionen geben wie in anderen Bereichen auch. Danke für Ihr Beileid.«
    Das klang schroff. Da also war er, der Riß in dieser perfekten Fassade. Es war die Hilflosigkeit, die ich auf den Zeitungsphotos bemerkt hatte und die mir so sympathisch gewesen war. Schmerz hatte dazu geführt, daß David das Gleichgewicht verloren hatte und für Augenblicke verschlossen und abweisend wirkte. Perlensamt hatte Mord gesagt. Es schien, als hätte er das Wort herauswürgen müssen. Er wandte sich mit meinem Mantel ab.
    »Sie entschuldigen mich einen Augenblick? Ich mache uns etwas zu trinken. Bitte nehmen Sie Platz.«
    Er verschwand in einem Flur, der rechter Hand

Weitere Kostenlose Bücher