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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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unser Bild ist? Und davor gehörte es zu einer französischen Privatsammlung. Sagt dir der Name etwas?«
    »Von Reinach – ursprünglich Schweiz, dann Frankreich, der Kreis würde sich schließen – geradezu unheimlich. Béatrice de Camondo …«
    »Oh, nein, du willst mich auf den Arm nehmen! Nicht die schon wieder!«
    »Doch, genau die: letzte und Universalerbin der jüdischen Bankiersfamilie türkischer Abstammung, hat einen von Reinach geheiratet. Ihr Schwiegervater, einer von drei Brüdern, hat sich eine neoklassizistische Villa in Beaulieu-sur-Mer gebaut. Starb Gott sei Dank, bevor seine Nachfahren und die der Camondos nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden. Das Familienpalais, in dem Béatrice nach ihrer Verheiratung lebte, vermachte Moise Camondo, Beatrices Vater, dem französischen Staat. Was aus dem Vermögen wurde, weiß ich nicht. Das Familiengrab ist in Passy, direkt neben dem von …«
    »Eurer Familie?« Sie schob schmollend die Unterlippe vor. Dann begannen ihre Augen zu leuchten.
    »Halt die Klappe.«
    »Und der hier?«
    »Abetz? Fragst du mich das ernsthaft? Ich dachte, das Auskunftsbüro für deutsche Geschichte bist du? Otto Abetz, Dienststelle Ribbentrop. Botschafter während der années noires in Paris. Ein Parvenü. Engagierte sich mehr als nötig für seinen Brotherrn. Schmiß sich mit Verve in die Judendeportation. Ihm ist zu verdanken, daß die gelben Sterne auch die stillen Tage von Passy beschienen. Ein ganz besonderes Arschloch. Ein Maulwurf. Hätte sich gern zum König von Paris gekrönt. Vermutlich hat er einiges für sich abgezweigt von dem, was er hat plündern lassen. Zusammen mit ein paar anderen ist er nach der Kapitulation nach Sigmaringen geflohen. Dort haben sie ihn erwischt. Ob er Nachkommen hatte, weiß ich nicht. Warte – wenn ich mich recht erinnere, hängt auch ein ähnliches Bild im Musée d’Orsay. Du wirst dir sämtliche Versionen angucken müssen, zum Vergleich.«
    Mona sah mich unverwandt an. Dann endlich begriff ich.
    »Ich soll da anrufen, weil du dich schämst, Französisch zu sprechen, ist es das? Sag mal, was soll das eigentlich? Wieso mache ich hier deinen Job? Du bist für Provenienzen zuständig. So was ist Frauenarbeit. Ich stehe der Klunkerabteilung vor.«
    Sie schien kurz zu überlegen.
    »Martini, nicht jeder hat diese Ahnungen – in Provenienzforschung bist du ein Naturtalent, ganz egal, wofür du im Augenblick zuständig bist. Deine intuitiven Schlüsse sind einfach genial.«
    Sie formte ihren Mund zu einer runden Öffnung und feixte. Schließlich streckte sie die Zunge raus.
    »Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen der Sammlung des Palais der Camondo, Hitlers Botschafter und diesem Bild.«
    »Vielleicht …«
    »Das wäre sensationell. Möglich ist aber auch …«
    »Was?«
    »Alles. Sicher ist nichts. Dieser Markt ist so grau, daß einem schwarz vor Augen werden kann. Ich lese da viel Schweizerische Klugscheißerei. Alle wissen immer alles, wenn es um Deutschland geht. Nur wir Blöden haben keine Ahnung.«
    »Du hast wir gesagt.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast wir Blöden gesagt, nicht die blöden Deutschen, wie sonst. Das ist großartig. Du beginnst, dich zu identifizieren mit dem, was du tust. Du siehst eine Aufgabe darin, eine Bestimmung.«
    »Hab mich vertan im Eifer des Gefechts. Bestimmt ist es die Hitze.«
    Mona setzte den Strohhut auf.
    »Hör zu, mir geht dieses Thema auf die Nerven. Ich habe einen Job angenommen, bei einer amerikanischen Firma. Zufällig ist der Arbeitsplatz in Berlin. Ich bewerbe mich in diesem Land nicht um Asyl. Auch nicht um die Staatsbürgerschaft und gewiß nicht um euer Sosein, was immer das ist, Doppelgänger, doppelte Böden, doppelte Türen. Mir ist eure verdammte Vergangenheit scheißegal.«
    Demonstrativ zog sie Handschuhe an.
    »Handschuhe bei dieser Hitze? Ist das nicht eher Henriettes Ressort?«
    »Ich gehe jetzt zu meinem Auswärtstermin. Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du mir bei dem Courbet helfen würdest.«
    Wenigstens hatte Mona mir zu einem eigenen Begriff von Gotik verholfen. Seit ich sie kenne, eröffnet sich mir dieser Stil. Das florale Feuer und der ganze Rest. Ich habe immer große Schwierigkeiten gehabt mit allem, was sich vertikal behauptet. Ein Bild von Mantegna zum Beispiel: Maria, die Jesus im Tempel präsentiert. Berlin, Gemäldegalerie. Das Kind als Stele. Langsam kam ich auf den Geschmack. Das hatte ich ihr zu verdanken. So mußte ich das sehen. Würde ich

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