Pern 06 - Der Weisse Drache
hatte blicken lassen.
Auch Lytols morgendliche Fragen zielten nicht auf Ruths Wohlbefinden, sondern betrafen den Burgalltag.
Als er damals aus der Gildehalle der Schmiede zurückgekehrt war, hatten Lytol und Finder reges Interesse an Wansors Sternen bekundet und ihn den ganzen Abend mit Fragen
belagert. Wenn die Pfleglinge und die übrigen Anwesenden auffallend still gewesen waren, so hatte Jaxom dies ihrer Begeisterung für das Thema zugeschrieben.
Am nächsten Morgen war nur Zeit für eine Tasse Klah und ein paar Bissen Fleisch und Brot gewesen, da man im Südwesten mit Fädeneinfall auf den bestellten Frühjahrfeldern rechnete und sie einen langen Ritt vor sich hatten.
Ich hätte mich schon vor Monaten wehren sollen, dachte Jaxom, als er seine Wohnräume betrat.
Es war vereinbart, daß ihn niemand störte, wenn er sich um Ruth kümmerte; erst jetzt begann er diese Momente der Zurückgezogenheit zu schätzen. Im allgemeinen versorgte Jaxom seinen Drachen am frühen Morgen oder späten Abend –
schrubbte ihn und rieb seine Haut mit Öl ein. Da der weiße Drache öfter eine regelmäßige Mahlzeit brauchte als seine großen Brüder, nahm er Ihn jeden vierten Tag mit auf die Jagd.
Dabei begleiteten sie meist die FeuerEchsen, die sich über die Reste hermachten. Zwar fütterten die meisten Leute ihre kleinen Lieblinge täglich, aber die Lust auf frisch gerissene oder selbst gefangene Beute ließ sich bei den FeuerEchsen nie ganz unterdrücken, und man hatte entschieden, nicht gegen diesen Instinkt anzukämpfen. FeuerEchsen waren rätselhafte Geschöpfe, und obwohl es keinen Zweifel daran gab, daß sie eine echte telepathische Bindung zu den Menschen entwickel-91
ten, die sie gleich nach dem Ausschlüpfen versorgten, zeigten sie doch sonderbare Launen und Ängste und verschwanden oft über längere Zeiträume spurlos. Wenn sie zurückkehrten, taten sie, als sei nichts geschehen, oder sie übermittelten in seltenen Fällen ziemlich wirre Bilder.
Jaxom wußte, daß Ruth an diesem Tag zur Jagd wollte, und spürte die Ungeduld seines Gefährten. Lachend streifte er die schwere Reitjacke über, schlüpfte in die Stiefel und erkundigte sich höflich, was Ruth zu speisen beliebte.
Einen Wherhahn, zart und saftig – nicht diese flachsigen Biester aus den Bergen. Ruth betonte seine Abscheu vor letzteren mit einem Schnauben.
»Selbst deine Gedanken klingen hungrig«, meinte Jaxom, während er das Drachenlager betrat.
Ruth drückte seine Nase leicht gegen Jaxoms Brust. Sein Atem drang kühl durch die schwere Reitjacke. Die Augen kreisten und hatten den roten Schimmer, der kräftigen Appetit verriet. Er ging auf die großen Metalltore zu, die sich zum Wirtschaftshof hin öffneten, und schob sie mit seinen Vorderpfoten auf.
Aufgescheucht durch Ruths Hungergedanken, wirbelten die FeuerEchsen der Burg eifrig herbei. Jaxom bestieg den Drachen, und sie erhoben sich in die Luft. Der alte Braune auf den Feuerhöhen wünschte ihnen gute Jagd, und der Wachreiter winkte ihnen zu.
Die sechs Weyr auf Pern besaßen aus Tributabgaben ihre eigenen Herden, die den Weyrdrachen als Nahrung dienten.
Aber kein Baron oder Pächter murrte, wenn hin und wieder ein Reiter seinen Drachen auf Burgbesitz jagen ließ. Da Jaxom Baron von Ruatha und innerhalb der Ruatha-Grenzen absoluter Herrscher war, mußte er, wenn er mit Ruth auf Jagd ging, im Grunde nur gewisse Anstandsregeln beachten. Lytol hatte ihm nicht einschärfen müssen, seine »Besuche« auf den einzelnen Pachthöfen gerecht zu verteilen.
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An diesem Morgen gab Jaxom seinem Drachen die Koordinaten eines prächtigen Weidegebietes, auf dem nach Lytols Aussagen gerade Wherhähne für das Frühjahrsschlachten gemästet wurden. Der Pächter war auf seinem Renner im Freien, als Jaxom und Ruth auftauchten, er begrüßte den jungen Baron mit gebührendem Respekt und beantwortete höflich seine Fragen nach dem eigenen Befinden und dem Erfolg der Wherhennen-Zucht.
»Da wäre noch eine Angelegenheit, die ich gern zu Baron Lytols Gehör gebracht hätte«, setzte der Mann hinzu, als das Gespräch stockte. »Ich habe immer und immer wieder um ein Feuerechsen-Ei gebeten. Das ist mein Recht als Großpächter –
und ich brauche so ein Tierche n dringend. Ich kann die Zucht nicht in den Griff bekommen, wenn mir immer wieder Räuber an die Nester gehen und die Schalen zerbrechen. Vier oder fünf Eier eines jeden Geleges verliere ich an Schlangen und ähnliches Viehzeug. FeuerEchsen würden
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