Pern 06 - Der Weisse Drache
vielleicht wieder ein Gelege versteckt.
Manchmal tut sie das nämlich. Dann bekam ich den Eindruck, daß das, was sie sah, schon lange Zeit zurücklag. Aber Prinzessin ist nicht älter als Ruth. Wie kann sie Ereignisse übermitteln, die länger als fünf Planetenumläufe her sind?«
»Deine FeuerEchsen erliegen dem Wahn, das Erste Ei
entdeckt zu haben!« Jaxom lachte schallend.
»Irgendwie finde ich das weniger lustig als du. Die Echsen wissen die verrücktesten Sachen. Erinnerst du dich noch, wie F’nors Grall sich sträubte, auf den Roten Stern zu fliegen? Ich habe herausgebracht, daß alle FeuerEchsen den Roten Stern fürchten.«
»Wir vielleicht nicht?«
»Sie wußte um die Gefahr, Jaxom, ehe die Menschen auf Pern eine Ahnung davon hatten.«
Instinktiv wandten sich beide nach Osten, dem unheilvollen Stern zu.
»Was schließt du daraus?« fuhr Menolly geheimnisvoll fort.
»Ich? Gar nichts. Warum?«
»FeuerEchsen besitzen ein Erinnerungsvermögen.«
»Jetzt hör aber auf, Menolly! Du willst mir doch nicht weis-machen, daß FeuerEchsen weiter in die Vergangenheit blicken als die Menschen?«
»Hast du eine bessere Erklärung?« fragte Menolly streitlustig.
»Nein, aber das bedeutet nicht, daß es keine bessere gibt.«
Jaxom grinste sie an. Dann verdüsterte sich seine Miene mit einemmal. »Du – wenn nun einige der Echsen da droben aus dem Süd-Weyr stammen?«
»Das bereitet mir weniger Kummer. Erstens sitzen sie auf dem Dach und nicht im Saal. Und zweitens können sie nur das in Bilder fassen, was sie verstanden haben.« Menolly lachte 83
leise, eine Angewohnheit, die sie von den schrill kichernden Mädchen aus den vornehmen Familien wohltuend unterschied.
»Stell dir mal vor, was für ein Quatsch herauskommt, wenn ein Mann wie T’kul Wansors Gleichungen, übermittelt von einer FeuerEchse, auszuwerten versucht!«
Jaxom selbst kannte den einstigen Weyrführer vom Hochland kaum, aber er hatte genug von Lytol und N’ton gehört und wußte, daß der Alte sich stur gegen jeden Fortschritt verschloß.
Nun, vielleicht hatte der lange Aufenthalt im Süden seinen Starrsinn ein wenig gemildert.
»Sieh mal, ich bin nicht die einzige, die sich Sorgen macht«, fuhr Menolly fort. »Mirrim empfindet ähnlich. Und wenn jemand etwas von FeuerEchsen versteht, dann ist es Mirrim.«
»Na, setz dich nicht herunter – für eine schlichte Harfnerin gehst du recht geschickt mit ihnen um.«
»Vielen Dank, Baron.« Sie verneigte sich tief. »Hör mal, könntest du rauskriegen, was die Echsen Ruth erzählen?«
»Reden sie denn nicht mit Mirrims grünem Drachen?« Im Moment war Jaxom nicht scharf darauf, sich mehr als nötig mit FeuerEchsen zu beschäftigen.
»Drachen vergessen alles. Das weißt du. Aber Ruth ist anders
…«
»Ganz anders.«
Menolly entging sein trotziger Tonfall nicht. »Was ist dir heute über die Leber gelaufen? War etwa Baron Groghe bei Lytol?«
»Baron Groghe? Weshalb denn?«
In Menollys Augen funkelte der Schalk. Sie winkte ihn näher und flüsterte ihm zu: »Ich glaube, Baron Groghe hat seine dritte Tochter – die häßliche mit dem flachen Busen – als Braut für dich auserkoren.«
Jaxom stöhnte entsetzt.
»Keine Sorge! Robinton will ihm das ausreden. Dieses Un-glück tut er dir nicht an.« Menolly musterte ihn belustigt.
84
»Aber wenn du schon eine Auserwählte hast, wird es Zeit, daß du den Mund auftust.«
Jaxom war wütend, eigentlich nicht auf Menolly, sondern wegen der Neuigkeit, die sie ihm übermittelt hatte; aber es fiel schwer, Botschaft und Botin auseinanderzuhalten.
»Eine Frau hat mir gerade noch gefehlt!«
»Oh? Schon versorgt?«
»Menolly!«
»Schau nicht so empört! Wir Harfner wissen um die Schwä-
chen des Fleisches. Du bist gut gewachsen und siehst prima aus, Jaxom. Und Lytol hat den Auftrag, dich in allen Dingen zu unterweisen …«
»Menolly!«
»Jaxom!« Sie ahmte ihn perfekt nach. »Läßt dir Lytol nie so viel Spielraum, daß du dich mal amüsieren kannst? Ehrlich, Jaxom …« Ihr Tonfall verriet jetzt Ungeduld. »Ich schätze Lytol und Robinton, und ich mag auch F’lar, Lessa und Fandarel – aber was machen sie aus dir? Ein blasses Abbild ihrer selbst! Wo bleibt Jaxom!«
Ehe ihm eine passende Antwort auf diese Unverschämtheit einfiel, fuhr sie mit zusammengekniffenen Augen fort: »Man sagt, der Drache sei wie ein Reiter. Kommt es daher, daß Ruth so – anders ist?«
Mit dieser rätselhaften Frage ließ sie ihn stehen und schlenderte zu den
Weitere Kostenlose Bücher