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Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Titel: Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Flüstern und beugt seinen Kopf vor: „Ich habe dir doch von der alten Zigeunerin erzählt. Die hat alles vorausgesagt.“
    Dicki erinnert sich. Er erinnert sich auch daran, daß ihm Jamesberry versprochen hat, das Lied der Zigeunerin vorzusingen. „Sie wollten mir doch einmal das Lied von der
    Zigeunerin vorsingen!“
    Jamesberry kratzt sich hinterm Ohr. „Hm… Wollte ich das wirklich?“
    Dicki nickt zustimmend. „Sie haben es gesagt!“
    Jamesberry erhebt sich und nimmt die Gitarre vom Haken. Bevor er jedoch einen ersten Ton anschlägt, hebt er die Augen zur Decke und ruft salbungsvoll: „Umbe-Mumbe-Lumbe-Zumbe. “
    Dicki kräuselt spöttisch die Lippen: „Wenn jemand so abergläubisch ist, sagt mein Großvater immer, der soll mal zwei Kilo Blumentopferde kauen, dann vergeht ihm der Aberglaube.“
    Jamesberry nickt Dicki verzeihend zu: „Nicht jeder Aberglaube, der so aussieht, ist Aberglaube. Mancher wie Aberglaube aussehender Aberglaube ist Wissen um Dinge, die niemand erklären kann, hast du das verstanden?“ Und mitten hinein in Jamesberrys spitzbübisch lächelndes Gesicht antwortet Dicki:
    „Nein, kein Wort!“
    „Habe ich mir gedacht, deshalb werde ich dir jetzt Zohitas Lied vorsingen.“
    „Ich bin gespannt.“ Dicki ist es wirklich.
    Nach einem kleinen Vorspiel beginnt Jamesberry zu singen:

    „Vor vielen, vielen Jahren
    kam sie, die Zohita,
    mit dem Zigeunerwagen —
    ganz plötzlich war sie da.

    Um ihre Füße hüpften Unken,
    als sie den Schloßhof dann durchquerte.
    Aus ihren Augen sprühten Funken,
    als man den Eintritt ihr verwehrte.

    Da half auch keinerlei Verzeihung.
    Sie reckte wütend ihre Hände,
    schrie drohend eine Prophezeiung
    von einem fürchterlichen Ende.

    Wenn längst ich tot und schon im Grabe,
    erhält Schloß Catmoor meine Gabe,
    mit der das Unheil hier beginnt,
    dem nicht ein einziger entrinnt.

    Und merkt: der Bote meiner Rache
    ist weder Löwe noch ein Drache.
    Verkünder des Beginns der Klage
    wird sein ein toter weißer Rabe…“

    Jamesberry hängt das Instrument an die Wand zurück. Nicht ohne dabei seinem kleinen Zuhörer einen forschenden Blick zuzuwerfen. Doch Dicki scheint nicht sonderlich beeindruckt von seinen Versen zu sein.
    „Und deshalb haben alle Leute Angst vor den weißen Raben?“ fragt er.
    „Stimmt, nur einer nicht: Jamesberry. Der hat keine Angst vor diesen gefiederten Rächern.“
    „Und warum nicht? Sie glauben doch an das, was die Zigeunerin gesagt hat.“
    „Eben deshalb! Eben deshalb habe ich nichts zu befürchten.“
    „Ich habe auch keine Angst! Und jetzt möchte ich gern die Kerzen haben, Mister Jamesberry.“
    „Stearinkerzen? “
    „Ja, Stearinkerzen.“

    Perry Clifton, der sich um einiges später als Dicki auf den Weg gemacht hat, erreicht in diesem Augenblick den Gang des Südflügels, von dem Lady Pamelas Zimmer abgehen. Kein Laut ist zu hören. Der weinrote Veloursläufer Schlucht jeden seiner Schritte, kaum mehr kann sich der Detektiv der gespenstischen Atmosphäre entziehen, die dieses Schloß ausstrahlt. Die Wände des Ganges zeigen kunstvolle schmiedeeiserne Armleuchter, kleine Ölbilder mit verschiedenen Landschaften und einige ungerahmte Kupferstiche. Über allem liegt ein dämmriges Halbdunkel, weil die drei schmalen, in Blei eingefaßten Fenster wenig Licht hereinlassen.
    Perry Clifton bleibt vor der Tür stehen, hinter der Lady Pamela nach dem gemeinsamen Dinner und dem Hinweis auf Spencer Freeman verschwunden ist. Noch zögert er. Dann hebt er die Hand und klopft leise an die Tür.
    Nichts.
    Er klopft ein zweites Mal. Diesmal ein wenig heftiger. Doch nichts rührt sich. Perry ist entschlossen, es an einer anderen Tür zu probieren. Er hat sich schon halb nach rechts gewendet, als er hinter sich ein Räuspern hört. Seine sofortige Kehrtwendung hätte jedem Soldaten zur Ehre gereicht.
    „Sie bemühen sich vergeblich, Mister Clifton!“
    „Wie soll ich das verstehen, Sir Henry?“
    „Meine Schwester ist weggefahren.“ Henry Everbridges Stimme ist gleichbleibend ruhig. Keinerlei Gefühlsbewegung schwingt mit, und es gelingt Perry nicht festzustellen, ob Sir Henry über Lady Pamelas Abreise froh ist.
    „Sicher können Sie mir sagen, wohin sich Mylady gewandt hat?“ forscht Perry, doch Sir Henry zuckt nur bedauernd mit den Schultern.
    „Es tut mit leid, Mister Clifton. Aber meine Schwester informierte weder mich noch meinen Bruder über das Ziel ihrer Reise.“
    „Merkwürdig.“
    „Ich weiß nicht, was

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