Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben

Titel: Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
zehn Minuten später schläft Dicki tief und fest.
    23 Uhr 55 zündet Perry Clifton die zwölf Kerzen an, setzt sich in einen der Sessel und beginnt angespannt auf die Geräusche der Nacht zu lauschen. Doch es ist, als hielte das ganze Schloß mit seinem lebenden und toten Inventar die Luft an. Kein Geräusch ist zu hören. Nicht einmal Dickis Atmen. Aber das liegt wohl daran, daß dieser wieder auf Tauchstation gegangen ist. Außer den Fingerspitzen der rechten Hand ist nichts von ihm zu sehen.
    Um 1 Uhr 35 bläst Perry die heruntergebrannten Kerzenstummel aus und legt sich — überzeugt, daß es eine ruhige Nacht wird — ebenfalls zum Schlafen hin. Noch beschäftigen sich seine Gedanken eine Zeitlang mit den Ereignissen der beiden Tage, und es erscheint ihm unfaßbar, daß es erst zwei Tage sein sollen, die er mit seinem kleinen Freund auf Schloß Catmoor weilt. Mitten in seine Überlegungen hinein, welche Rolle Lady Pamela wohl spielt, schläft Perry Clifton ein.
    2 Uhr. Die nun einsetzenden akustischen Gespenstereien gleichen denen der letzten Nacht wie ein Ei dem anderen. Zuerst ist es wieder das leise, weit entfernte Krächzen eines Raben. Es wird lauter, vermischt sich mit anderen Geräuschen. Mit dem hellen Scheppern von Ketten, mit Wimmern und Zischen. Und als es vom Krächzen eines einzelnen Raben in das Krächzen hunderter übergeht, richtet sich Perry Clifton in seinem Bett auf. Einen Atemzug später tut Dicki Miller das gleiche.
    Perry springt aus dem Bett und tastet sich zur Tür. Als das Licht aufflammt, reißt das Dröhnen und Krächzen, Kettengerassel, Kichern, Wimmern und Kreischen schlagartig ab. Dicki reibt sich die Augen: „Das Licht brennt ja, Mister Clifton!“
    „Das sehe ich auch!“ erwidert Perry trocken.
    „Und warum brennen die Kerzen nicht mehr?“
    „Es ist 2 Uhr durch, Dicki. So lange brennen diese Kerzen auch nicht! Bist du schon lange wach?“
    „Nein.“
    Perry steht nachdenklich in der Mitte des Zimmers und kratzt sich hinter dem Ohr. Man sieht es ihm an, daß er vor Wut fast auseinanderspringen könnte, vor Wut darüber, daß er die Quelle dieses entsetzlichen Lärms nicht findet. Wieder und wieder schweifen seine Augen über Decke, Möbel und Wände. Aber hat er nicht schon einmal alles gründlich untersucht? Teppiche weggeräumt, Schränke verschoben, Wände abgeklopft? Es ist und bleibt ein Rätsel. Als er zu Dicki hinübersieht, muß er trotz allem lächeln. Dicki ist im Sitzen eingeschlafen. Sein Kopf hängt — oder besser ruht — auf seiner Brust und erinnert an eine Blume, die man längere Zeit zu gießen vergessen hat. Vorsichtig legt ihn Perry zurück und deckt ihn wieder zu. Dann löscht er das Licht.
    Ohne weitere Zwischenfälle geht die Nacht zu Ende. Der neue Tag führt sich mit einem zwei Stunden langen Nieselregen ein, dem eine kürzere Aufklärung folgt.
    Als Perry Clifton und Dicki Miller aufstehen, regnet es zwar nicht, doch der Himmel hängt voller schwarzer Wolken. Beide haben sich bereits gewaschen, wobei Perry allerdings seinem Freund mit dem Zahnputzzeug hinterher laufen mußte, und Dicki ist gerade dabei, sein Bettzeug wieder in seinem Zimmer zu verstauen, als er plötzlich stutzt. Natürlich, das ist es, was er schon gestern Mister Clifton sagen wollte — und dann war es ihm entfallen! Dicki hat es sehr eilig, sein Bettzeug loszuwerden. Und schon aus zwei Meter Entfernung sdileudert er Decken und Kissen auf das Bett.
    „Mister Clifton!“ ruft er lautstark, als müsse er diesen aus einem tiefen Dornröschenschlaf erwecken.
    „Was ist los?“ gibt Perry mit verschobenen Lippen zurück, denn er ist gerade beim Rasieren.
    Dicki stellt sich in die Badtür. „Mister Clifton, erinnern Sie sich an den Zettel von gestern?“
    „Welchen Zettel?“ brummt Perry zwischen den Zähnen.
    „Wo das von der ,Vase’ draufstand!“
    „Ich erinnere mich.“
    „Haben Sie den Zettel noch, Mister Clifton?“
    „In meiner Jackentasche — du hast ihn doch lange genug studiert.“
    Dicki erwidert nichts.
    Eine halbe Minute später kramt er in Perrys Taschen, bis er endlich den zerknitterten Zettel zutage fördert. Ein Blick darauf genügt, um seine Augen triumphierend aufleuchten zu lassen.
    Perry Clifton, der seine Rasur beendet hat, tritt auf ihn zu. Mißtrauisch beobachtet er Dickis anscheinend wachsende Begeisterung über etwas, das ihm, Perry, im Augenblick noch ein Buch mit sieben Siegeln ist.
    Dicki hat die Hand mit dem Zettel hinter dem Rücken

Weitere Kostenlose Bücher