Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben
Worten wenig anzufangen. „Wie meinen Sie das?“
„Es gibt jemanden im Schloß, der entweder Spencer Freeman selbst oder zumindest seinen Namen kennt.“
„Sir Douglas ?“
„Nein, Lady Pamela !“
„Lady Pamela? Die Schwester von Sir Douglas?“ fragt Dicki fassungslos.
„Ja, und das ist ein Grund, warum ich ihr jetzt einen Besuch abstatten werde. Das hätte ich schon früher tun sollen. Komm, Dicki!“
„Ich soll mit?“ fragt Dicki, der diesen Gunstbeweis mit neuen Hoffnungen auf sein Hierbleiben verknüpft.
„Nein“, erwidert Perry Clifton. „Du gehst zu Jamesberry und läßt dir zwei Hände voll Stearinkerzen geben!“
„Kerzen?“ Dicki glaubt, sich verhört zu haben,
„Ja, Kerzen!“ wiederholt Perry. „Damit wir nicht wieder ohne Licht sind, wenn heute nacht die weißen Raben kommen — oder vielleicht auch jemand anderes.“
Jamesberry hatte Dicki heute vormittag den Lageplatz seines Zimmers so genau erklärt, daß es dieser auf Anhieb findet. Es liegt nur zwei Türen von der Küche entfernt. Forsch klopft Dicki an. Und dann lauscht er überrascht, als im gleichen Augenblick hinter der Tür lautes Schimpfen ertönt. Bevor er auch nur ein Wort versteht, wird die Tür mit Schwung aufgerissen, und Jamesberry ruft mit gereizter Stimme und wildem Blick:
„Was willst du schon…“ Jetzt hat er den Einlaßbegehrenden erkannt, der erschrocken stottert:
„Ich bin’s, Dicki.“
„Natürlich, Dicki! Ich bin manchmal ein bißchen komisch, weißt du“, kichert Jamesberry mit völlig verändertem Gesicht und schmeichelnder Stimme. „Komm herein, mein Junge!“ Er faßt Dicki am Arm und zieht ihn in sein Zimmer.
Dicki erkennt ein breite Couch, die von einer reichverzierten indianischen Decke bedeckt ist, einen Schrank und einen länglichen Tisch mit zwei Polsterhockern. Die Wände sind mit mehreren Instrumenten behängen, von denen Dicki lediglich die Gitarre kennt, auf der Jamesberry ihm vorgespielt hat. Und noch etwas fällt Dicki bei der Einrichtung auf. Die vielen, vielen Bücher, die, auf drei Regale verteilt, die rechte Wandseite schmücken.
„Sie haben bestimmt jemand anderen erwartet, stimmt’s?“ Jamesberry macht eine abwehrende Handbewegung. „Wo denkst du hin! Ich habe niemanden erwartet.“
„Aber warum haben Sie dann gesagt: Was willst du schon… Sicher wollten Sie sagen: Was willst du schon wieder?“ Während Dicki ein pfiffiges Gesicht macht, schneidet Jamesberry eine nachdenkliche Grimasse.
„Hm… Hm… vielleicht hatte ich vorher etwas geträumt. — Nun, was führt dich zum alten Paganini?“
Dicki überhört den lauernden Unterton in Jamesberrys Frage. Noch ist er zu sehr mit dessen Schwindel von eben beschäftigt. Denn daß das mit dem Traum ein Schwindel war, daran zweifelt Dicki auch nicht eine einzige Sekunde lang.
„Mein Onkel hat mich geschickt. Ich sollte Sie um zwei Hände voll Kerzen — Stearinkerzen — bitten, Mister Jamesberry!“
„Oh, Kerzen… natürlich!“ antwortet dieser eifrig mit hörbarer Erleichterung.
„Wollen Sie gar nicht wissen, wozu wir die Kerzen brauchen?“
„He?“ Jamesberry tut vorwurfsvoll. „Denkst du denn, Jamesberry ist neugierig. Wenn ihr Kerzen braucht, sollt ihr sie haben. Und wenn ihr fünf alte Eimer braucht — sollt ihr fünf alte Eimer bekommen.“
„Aber was sollten wir mit fünf alten Eimern anfangen?“ erkundigt sich Dicki verschmitzt.
„Ich meine ja nur so, du mußt nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen! Aber ich sehe ja ein, daß du noch ein bißchen durcheinander bist. Es tut mir auch sehr leid, daß man dich in den Keller gesperrt hat.“
Dicki macht eine Handbewegung, die soviel heißen soll wie „ach was, das ist längst vergessen“, und sagt dazu: „Es war halb so schlimm.“
Jamesberry droht mit dem Zeigefinger und zwinkert: „Du kannst es ruhig zugeben, daß du Angst gehabt hast!“ Und freundlich setzt er hinzu: „Ich hätte ja auch Angst gehabt. — Aber hab ich dir’s nicht gesagt, die Geister lassen nicht mit sich spaßen.“
„Ach was, Geister!“ erwidert Dicki wegwerfend. „Dieser Mister war kein Geist. Das war ein richtiger Mann wie mein Onkel und Sie!”
„Geister erscheinen manchmal in den eigentümlichsten Verkleidungen. Manchmal eben auch als normale Menschen.“
„Davon glaube ich kein Wort!“ bestreitet Dicki energisch, der nicht weiß, ob es Jamesberry ernst meint, oder ob er nur so tut.
Jamesberry senkt seine Stimme zu einem geheimnisvollen
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