Perry Rhodan Neo 030 - Hort der Weisen
wusste. Kaum angekommen, hatte er geschlafen und war nun von Kalmukh unsanft geweckt worden. Wie viele Topsider lebten in diesem Gebilde, das an der Felswand klebte? Wie verbrachten sie ihre Zeit? Woher nahmen sie ihre Nahrungsmittel?
Er wunderte sich nicht, dass er noch nicht einmal auf seine einfachen, laut gestellten Fragen eine echte Antwort erhielt. »Es geht dich nichts an«, sagte Kalmukh barsch. »Niemand kann dort oben atmen. Die Luft ist zu dünn, es gibt kaum Sauerstoff. Und die nötige Ausrüstung, den Gipfel zu erstürmen, wirst du nicht finden. Der Hort ist ein Platz ohne störende Technologie, und das wird er immer bleiben.«
Der Topsider wies schräg über sich, wo sich weitere Plattformen an die Felswand drückten und vereinzelte Hütten an einem verwinkelten Holzgestänge wie Trauben an einem Weinstock zu allen Seiten und in die Tiefe ragten. Etliche der allgegenwärtigen Lianen hingen von dort herab und pendelten im Wind. Einen Zugang dorthin entdeckte Manoli allerdings nicht.
»Das ist unser Ziel«, erklärte Kalmukh. »Thersa-Khrur bewohnt die unterste Hütte.«
»Wie sollen wir dort hinkommen? Ich sehe keinen Weg, der ...«
»Sagte ich es nicht, kleiner Arkonide?«, höhnte der Topsider. »Ich bin bei dir, du musst keine Angst haben.« Er stieg noch eine Windung der Wendeltreppe hinauf, blieb dort auf einem vorgewölbten Absatz stehen, von dem aus es ungesichert in die Tiefe ging. Sie standen einen guten Meter von der Felswand entfernt.
Ein Pfosten ragte aus dem Boden, ähnlich dem, mit dessen Hilfe sie vorhin die Hängebrücke in die Höhe gezogen hatten. Auch in diesem Fall wickelte sich eine Liane darum; nein, sogar zwei. Nur hingen sie nicht in die Tiefe, sondern bildeten das untere Ende; sie ankerten etliche Meter höher in einem Gestell, das waagrecht aus der Felswand herausragte.
Der Schreck ging Eric Manoli durch den ganzen Körper, als er verstand. »Wir ... schwingen hinüber?«
»Exakt. Ein wenig Anlauf bringt uns genau zu der oberen Plattform. Ich gehe zuerst.«
Mit einem mulmigen Gefühl löste Manoli die zweite der Lianen, die sich aufwärts bis zu dem Gestell spannten. Sie fühlte sich warm an, wie er es bereits kannte. Er zog vorsichtig daran und meinte sogar, ein leichtes Pulsieren zu spüren.
»Bind sie wieder fest!«, forderte Kalmukh. »Ich werfe dir meine Liane zu, sobald ich drüben bin. Eine muss stets verfügbar bleiben.« Er sprang – und schwang in einem perfekten Bogen hinüber zur Plattform. Dort setzte er auf, drehte sich um und warf zu Manolis Überraschung nicht nur die Liane zu ihm, sondern kehrte selbst zurück.
Schnell.
Und direkt auf ihn zu.
Manoli wollte noch ausweichen, doch da krachte der Topsider bereits mit vollem Gewicht gegen ihn. Er flog rückwärtsgestoßen, wäre gegen das innere Gestänge der Wendeltreppe geschmettert – wenn Kalmukh ihn nicht gepackt und über die Kante gerissen hätte.
Eric Manoli stürzte in die Tiefe.
Fast.
Kalmukh hielt ihn für einen perfekten Mordanschlag einen Lidschlag zu lange fest. Manoli gelang es, die Liane über dem Kopf des Topsiders zu packen.
Ein entsetzlicher Ruck in seiner Schulter – er pendelte hilflos an der Liane, die weit über den Abgrund schwang. Der Attentäter hing direkt unter Manoli und machte die unfreiwillige Reise mit. Manoli krachte nun seinerseits mit den Beinen gegen den Kopf seines Gegners, der vor Überraschung aufschrie und erneut zuschlug.
Diesmal offenbar blindlings und ohne nachzudenken.
Kalmukhs Hieb mit gekrümmten Fingern erwischte Manoli nur am Unterschenkel. Die Nägel schrammten über sein Fleisch, zogen blutige Striemen ... und zerfetzten die Liane über dem Kopf des Topsiders.
Sie riss mit einem peitschenden Knall, durchdringend wie ein tödlicher Schuss in unmittelbarer Nähe.
Manoli wurde durchgeschüttelt, rutschte ab, krallte sich fest. Kalmukh stürzte in die Tiefe. Sein Schrei wurde leiser, verebbte völlig.
Es blieb still.
Den Aufschlag hörte er nicht; der Körper prallte in viel zu großer Entfernung auf.
Manolis Herz raste. Er pendelte an der Liane unter dem Haltegestänge. Zu weit von der Wendeltreppe einerseits und der Plattform andererseits entfernt, um sie erreichen zu können. Ihm fehlte der nötige Schwung.
Was konnte er tun? Nach oben klettern, das Gestänge erreichen ... aber danach? Auch von dort gab es keine Verbindung zu irgendeinem sicheren Stand, nur den Weg direkt zur glatten, senkrechten Felswand des Berges, der nur etwa zwei Meter
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