Perry Rhodan Neo 6: Die dunklen Zwillinge (German Edition)
außerordentlich. Als der Junge sich wieder aufrichtete, nahm die Kugel Fahrt auf und raste in gerader Linie auf den Zaun zu, der das Camp einschloss. Sie hielt eine Handbreit vor dem Gitter an. Roster Deegan hob erneut die Arme, stieß einen markerschütternden Schrei aus.
Die Stahlkugel schoss los, als hätte man sie aus einem Geschütz abgefeuert. Monterny nahm nur einen Schemen wahr, als sie seinen Standort passierte. Dann hörten sie schon einen ohrenbetäubenden Knall, und eine Wolke aus Staub und Splittern hüllte das Bauteil ein.
Als sie sich legte, wurde das Loch sichtbar, das die Kugel in den Beton gerissen hatte. Sie hatte ihn glatt durchschlagen.
Roster Deegan ballte die Hände zu Fäusten und verbeugte sich. Der Junge vermischte Gesten, die er im Netz Torschützen und Zauberkünstlern abgeschaut hatte.
Ehrfürchtiges Schweigen hing über dem Platz, dann brachen die Kinder in Beifall aus, der für Monternys Geschmack etwas zu frenetisch war. Viele Kinder hatten Angst vor dem aggressiven Jungen. Angesichts dieses Beweises der Macht seiner telekinetischen Gabe flüchteten sie sich in Beifall.
Minister Drummond, der von den Dynamiken der Gemeinschaft von Camp Specter nichts ahnen konnte, bemerkte es nicht.
Er wandte sich an Ivanhoe. »Goratschin, das ist beeindruckend. Kann ich mit dem Jungen sprechen?«
»Natürlich!« Ivanhoe winkte Roster Deegan herbei. Der Junge kam nur zögernd. Er hatte gelernt, dass er besser fuhr, wenn er Erwachsene mied.
Drummond schüttelte ihm die Hand. »Ich gratuliere dir, junger Mann! Das war außergewöhnlich. Unser Land braucht Menschen wie dich!«
Roster öffnete den Mund, aber bekam keinen Ton heraus. Er war Lob nicht gewohnt.
Drummond wandte sich wieder Ivanhoe zu. »Gute Arbeit, Goratschin. Wann können wir mit weiteren Ergebnissen rechnen?«
Ein Summen schnitt ihm das Wort ab. Drummond langte in die Tasche, holte seinen Pod hervor und las die eben eingegangene Nachricht. Er steckte den Pod wieder weg. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich muss meinen Besuch abkürzen.«
Drummond nickte den Leibwachen zu. Sie scharten sich um den Minister, eskortierten ihn zum Hubschrauber.
Nein! Monterny verfolgte fassungslos, wie der Minister in den Hubschrauber stieg, die Maschine abhob und in der einsetzenden Dämmerung verschwand. Dann lag Camp Specter im Abendlicht, als hätte der Ministerbesuch niemals stattgefunden.
Nein! Ich habe es Julie versprochen!
Ivanhoe legte einen Arm um seine Schultern, drückte ihn wie früher, als sie noch Freunde gewesen waren. »Clifford«, flüsterte er, »wir haben es geschafft. Wir haben ihn überzeugt!«
»J... ja«, brachte Monterny hervor. »Das ist großartig.«
Ihm war übel. Er hatte es nicht geschafft. Er hatte dem Minister nicht gesagt, was sein alter Kamerad den Kindern im Camp antat. Er hatte das Versprechen gebrochen, das er Julie gegeben hatte.
Als Ivanhoe ihn losließ, um seinerseits Roster Deegan zu gratulieren, machte sich Monterny davon. Er rannte los und schloss sich in seinem Zimmer ein.
Es war ein kläglicher Versuch einer Flucht.
Er scheiterte.
»Clifford, mach auf!« Julie hämmerte gegen die Tür. »Bitte!«
Monterny tat es. Julie würde nicht lockerlassen.
»Der Minister hat den Besuch abgebrochen!«, rief sie freudig. Sie musste glauben, seine Enthüllung über Goratschin hätte den Minister dazu gebracht.
»Ja.«
»Was hat er gesagt?«
»Nichts.«
»Nichts?« Ihre Augen weiteten sich. »Wie kann das sein? Er kann doch nicht einfach schweigend abhauen, nachdem er erfahren hat ...«
»Er weiß von nichts. Ich habe es ihm nicht gesagt.«
»Aber ... aber du hast es mir versprochen!«
»Ja.«
»Wieso hast du es dann nicht gemacht?«
Er blickte auf, versuchte ihrem stechenden Blick standzuhalten. »Es ging nicht. Ivanhoe ist keinen Millimeter von seiner Seite gewichen.«
»Und? Goratschin ist nicht mehr der, der er war. Das sagst du doch selbst! Du hättest dich davon nicht stören lassen dürfen!«
»Schon, aber ... ich konnte es nicht. Bitte, Julie, versteh mich!« Monterny unterlegte die Worte mit der ganzen Kraft seiner Psi-Gabe.
Julie wankte, als hätte eine Sturmböe sie erfasst. Tränen traten ihr in die Augen. Ihr Blick fixierte ihn nicht länger, ging in die Ferne. »Wie konnte ich nur so dumm sein?«, flüsterte sie. »Du hast zwei Gesichter, Clifford Monterny. Ich hätte niemals ...«
Das laute Rattern eines Maschinengewehrs schnitt ihr das Wort ab.
Sie rannten hinaus.
Es war
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