Persephones Erbe (German Edition)
haben.«
»Die Architektur des
Fin de Siecle
in Stadt und Land. Dargestellt an Beispielen in Wien und Bad Gastein.«
»Nun, das passt leider überhaupt nicht.« Landgraf faltete die Hände. »Außerdem sind Sie für meine Zwecke deutlich überqualifiziert, Frau Friedrich. Zu teuer.«
Autsch!
Sollte ich etwa anbieten, für weniger Geld zu arbeiten? Für wie wenig überhaupt? Noch weniger als vierhundert Euro?
»… aber ich sage Ihnen einfach, wofür ich Sie brauche und dann entscheiden Sie selbst.«
Er drehte sich mehr zu mir.
»Ich habe einen Auftrag, das heißt: Ich kriege ihn, wenn das Konzept stimmt. Kennen Sie sich mit antiker Badekultur aus?«
»Leidlich.«
»Sehen Sie, Katinka – ich darf Sie doch Katinka nennen?«
»Bitte lieber Kati.«
Er nickte.
»Gerne. Wir haben vor zwei Jahren etwas außerhalb von Zirndorf eine Villa gebaut, vollkommen versteckt im Wald.« Landgraf grinste kurz. »Ich möchte nicht wissen, was Malchow Google Maps bezahlt hat, dass sie seinen Besitz auf den Satellitendarstellungen nicht darstellen.«
Ich sagte nichts.
Er rieb sich den Nacken. »Am besten erzähle ich Ihnen die ganze, traurige Wahrheit. Als der Wellnesstrakt im Rohbau stand, kam mir die Scheidung dazwischen. Meine Ex hatte den besseren Anwalt. Corinna und ich führen jetzt zwei getrennte Baufirmen.«
»Verstehe ich das richtig, dass Sie jetzt mit Ihrer Exfrau um den Auftrag konkurrieren?«
»Richtig.«
Darum also der Wunsch nach einer Kunststudentin, Landgraf wollte mit Expertenwissen punkten.
»Hat Ihr Kunde gesagt, welche Art antike Badekultur er sich wünscht?«
»Es soll wohl eine Art römische Therme werden. Glauben Sie, Sie können mir bei der Dekoration auf die Sprünge helfen? Ich kann Ihnen allerdings höchstens achthundert pro Monat bieten.«
Genial! Der Urlaub war gesichert. Wo durfte ich unterschreiben?
»Ich muss aber diese Woche noch für Frau Gärtner arbeiten.«
»Das kann ich abwarten. Sagen wir, wir treffen uns kommenden Montag am Hauptbahnhof unter der Zuganzeige. Können Sie den gleichen Zug wie heute nehmen?«
»Ja natürlich.«
»Sehr gut! Wir müssen einkaufen!«
2.
Die Königsstraße in Nürnberg faszinierte mich jedes Mal wieder. Man trat aus dem Hauptportal eines gründerzeitlichen Bahnhofsgebäudes – von dem allerdings nach zwei Kriegen höchstens noch die Fassade original erhalten war – und erblickte gegenüber eine mittelalterliche Stadtmauer. Mit dem einzigen Nachteil, dass man nicht einfach den mehrspurigen Altstadtring überqueren konnte, sondern zurück in den Untergrund musste. Das störte mich. Aber an Armin Landgrafs Seite war die Königstorpassage gut zu ertragen. Außerdem quirlte hier das Leben. Menschen kamen und gingen, Imbissstände boten Bratwürste, Döner, Backwaren oder fristgepresste Säfte an. Alles war hell erleuchtet und Glasfassaden rechts und links führten zu Geschäften.
Trotzdem war ich heilfroh, als wir schon nach wenigen Minuten die Treppe erreichten, die uns an die Oberfläche zurückführte. Nürnberg war eine Hochburg der Rationalisten, aber sogar hier gaben einige Götterstatuen Passanten Gelegenheit zum Gebet. Ich verbeugte mich im Vorübergehen andeutungsweise und pauschal vor der mit Blumen bekränzte Ganesha-Statue, dem immerhin fast lebensgroßen Bronze-Merkur und dem schlichten Wanderstab (für Wotan, den großen Reisenden). Armin Landgraf tat es mir gleich.
»Glauben Sie an Götter, Herr Landgraf?«
“Nicht eigentlich.”
Also ein Indifferenter. Trotzdem gefiel mir die Respektsbezeugung. Ich fand sie angenehmer, als den vehementen Nicht-Glauben zuhause. Meine Mutter und mein Stiefvater Zachi, der bei der Kripo Mittelfranken arbeitete, akzeptierten gerade noch die Existenz von Psi, vermutlich gegen ihre eigentliche Überzeugung. Dass es einen oder mehrere Götter geben könnte, ging über ihren Horizont. Bei Zachi konnte ich das sogar noch verstehen. Er sah als Fahnder zu viele Opfer von Gewalt. Die vielen Tote, die Verbrechen auf der Welt, sie waren für meinen Stiefvater der klassische Gegenbeweis.
Ich war mir da nicht ganz so sicher. Ich lief an Landgrafs Seite durch die Stadt, vorbei an Burger-King, der in einem quasi unversehrten Haus aus der Gründerzeit des vorletzten Jahrhunderts residierte und vorbei an Sankt Klara (es gab in Nürnberg immer noch aktive christliche Gemeinden). Damit war es aber mit der Altbauherrlichkeit aus. Auf dem Weg zum Hauptmarkt öffnete sich zwar der Blick auf die Burg über der
Weitere Kostenlose Bücher