Persephones Erbe (German Edition)
heute aber auch noch seinem eigenen Duft in die Nase. Er roch sehr männlich, angenehm männlich. Seine Finger kneteten meine Oberarme.
Endlich ging das Licht wieder an.
Landgraf hob mich wie eine Puppe hoch, trug mich quer durch den ganzen Laden bis zur Ausgangstür, stieß sie auf und half mir auf seinen Armen hinaus. Die Helligkeit des grauen Vormittags war ein Segen.
»Sie können mich ruhig wieder auf die Füße stellen!« Mir klapperten die Zähne. Mir blieb gar nichts übrig, als mich an Landgraf zu schmiegen. Ich brauchte seine Wärme.
»Geh es wieder?«
Mir war immer noch speiübel. Aber Landgrafs Geruch und seine Körperwärme beruhigten mich, und so ließ ich es zu, dass er mich wieder in den Laden zurückschob.
»Sie hätten mir ruhig sagen dürfen, dass Sie unter Klaustrophobie leiden, Kati. Jean-Paul Gallus hat auch einen Internetshop.«
Ich musste bei allem Elend lachen.
»Muss das Kleid unbedingt sein?«
»Nein, dieses hier ganz sicher nicht mehr. Kati, Sie glauben gar nicht, wie leid mir der Vorfall tut. Wenn ich auch nur im Entferntesten geahnt hätte …«
Er ließ mich los. Leider. Aber auch ich sah, dass die Angestellte, die uns bedient hatte, außer Atem auf uns zu eilte. »Bitte entschuldigen Sie, eine unerklärliche technische Panne. Ihnen ist doch hoffentlich nichts geschehen?!«
Landgraf sah mich an. Wir sagten beide wie aus einem Mund: »Nein!«
»Haben Sie das Modell noch einmal auf Lager? Vielleicht in einer anderen Farbe? Ich möchte nicht, dass Frau Friedrich ständig an den Stromausfall erinnert wird, wenn sie es trägt.«
Die Angestellte nickte eifrig. »Ich werde gerne nachsehen. Selbstverständlich.«
»In Ordnung?« fragte Landgraf.
Es war nicht in Ordnung, ganz und gar nicht. Aber ich trug einen Arbeitsvertrag über drei Monate in der Tasche und wer A sagte, musste auch B ertragen. Ich schwor mir, mich am Bender-Institut in Freiburg vorzustellen, sobald ich bei Landgraf fertig war. Und wehe, sie sagten, sie hätten noch nie gehört, dass jemand die Toten hören konnte!
»Kann ich mich jetzt endlich wieder umziehen?«
»Ich halte Wache.«
Er blieb tatsächlich vor der Umkleidekabine stehen. Das war gut, denn ich schielte alle fünf Sekunden nervös zur Deckenbeleuchtung. Sie blieb an. Trotzdem fühlte ich mich erst wieder halbwegs wohl, als ich in Hosen und Pulli steckte.
Die Angestellte kam in dem Moment mit dem Ersatzkleid, da ich die Vorhänge der Umkleidekabine zur Seite schlug.
»Ich habe das Modell leider nur noch in der Farbe Nude!«
Ich fluchte innerlich. Ton in Ton mit meiner blassen Haut wirkte das Kleid mit Sicherheit noch obszöner. Aber mir war inzwischen schon alles egal.
»Von mir aus! Ich habe sogar passende High-Heels.«
Armin Landgraf schnalzte mit der Zunge. »Ja wunderbar! Dann mache ich den Termin bei Malchow gleich für morgen Vormittag fest!«
Ich deutete das Licht in den Augen meines neuen Chefs lieber nicht.
3.
Ich lief eilig durch den Westtunnel, die Stofftasche mit High-Heels, Föhn und Schaumfestiger in der einen, den Schminkkoffer in der anderen Hand. Der Gedanke, mich für Landgrafs Firma aufzutakeln, schmeckte mir immer noch nicht. Doch wenn ich mich schon darauf einließ, dann richtig.
Es war ein sonniger, fast schon warmer Tag. Mir ging es gut. Die Bahnfahrt war heute kein Problem gewesen, vielleicht gewöhnte ich mich durch die tägliche Wiederholung noch an die Tunnel. Oder mein neuestes Mantra half. Genau wie die alte Frau in Kärnten vor vielen Jahren zu mir gesagt hatte: Ich konnte vieles gegen meine Angst nutzen, ein Gedicht oder ein Gebet, Musik. Aber mir halfen immer noch am besten warme Gedanken.
Er war ein Netter, mein neuer Chef. Landgraf musste heute morgen vor dem Termin bei Malchow noch irgendwohin, deshalb hatte er mir gestern sogar den Zugangscode zu seinem Büro anvertraut, damit ich nicht in dem Kleid herfahren musste.
Ich tippte die Zahlen ein und drückte die Klinke. Als erstes drehte ich die Steuerung der Gasheizung hoch. Landgraf durfte hier gerne den Eisbären Gesellschaft leisten, doch wenn ich mir von der arktischen Temperatur im Raum einen Schnupfen fing, nützte ich ihm gar nichts.
Ich zog mich um, frisierte und schminkte mich. Es wurde Neun und halb Zehn, aber mein neuer Chef kam nicht. Um Zehn reichte es mir. Ich zog die High-Heels wieder aus, strich die Sitzfalten aus dem Kleid und ging auf Strümpfen zu Landgrafs Bücherwand.
Alle Achtung, es waren fast nur Kunstbildbände oder Werke
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