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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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insgesamt verbraucht sehr viel Energie, und zwar bereits im Zustand der Ruheaktivität mindestens zehnmal mehr, als ihm von seiner Körpermasse her zukäme. Bei anstrengender geistiger Arbeit steigert sich dieser Verbrauch weiter, und man kann dabei richtig ins Schwitzen kommen. Deshalb ist es von der Energiebilanz her nicht verwunderlich, dass unser Gehirn stets danach trachtet, Dinge zu erledigen, die möglichst wenig oder gar kein Bewusstsein brauchen. Das erfordert das Ausbilden von Routineprogrammen in allen Bereichen der Gehirnaktivität. Solche Routineprogramme haben auch den großen Vorteil, dass sie schnell ablaufen und wenig fehleranfällig sind. Ihr Nachteil liegt allerdings darin, dass sie immer nur für bestimmte Aufgaben zugeschnitten sind und nicht unmittelbar übertragen werden können. Sie sind wie ein Haufen von Spezialisten, die nebeneinander herarbeiten. Bewusstseinsvorgänge sind dagegen immer langsam und fehleranfällig , aber sie können sehr flexibel mit neuen Geschehnissen und Informationen umgehen. Eine solche kreative Zusammenarbeit von Personen ist auch im Betrieb und in der Behörde teuer, langwierig und fehleranfällig – aber man kann auf sie nicht verzichten, wenn es um neue Lösungen geht.
    Bewusstsein ist aus Sicht der Hirnforschung eine besondere Art von Informationsverarbeitung , die dann eingeschaltet wird, wenn das Gehirn mit neuen und wichtigen Dingen, mit großen heterogenen Datenmengen und vielen Details konfrontiert wird, die auf ihre Bedeutung und ihre Zusammenhänge hin überprüft werden müssen, und ganz allgemein dann, wenn es um komplexen Sinn und komplexe Bedeutung geht. Bewusstsein ist vom »Betrieb« her teuer, weshalb das Gehirn immer danach trachtet, Dinge ins Vor- und Unbewusste zu verlagern.
    Aufgrund neuester neurobiologischer Erkenntnisse vermutet man, dass Bewusstsein dann entsteht, wenn eine bestimmte Anzahl von corticalen Pyramidenzellen hinreichend stark aktiv ist. Dies geschieht zum einen dadurch, dass sie von Eingängen außerhalb der Großhirnrinde erregt werden (z. B. durch sensorische Umschaltkerne des dorsalen Thalamus), zum anderen dadurch, dass sie sich gegenseitig erregen und beginnen, im selben »Takt« zu feuern (sich zu »synchronisieren«). Diese Synchronisationsvorgänge sind an besondere Typen von Synapsen gebunden, die zum Teil rein elektrisch, zum Teil chemisch funktionieren. Ob das Entstehen von Bewusstseinszuständen abrupt geschieht, d. h. ein Schwellenphänomen ist, oder ob es einen gleitenden Übergang zwischen unbewusst und bewusst gibt, ist unklar (ich halte Letzteres für wahrscheinlich).

Wie steuert das Unbewusste das Bewusstsein?
     
    Wie geschildert, bleibt all das unbewusst, was nicht in der Großhirnrinde stattfindet, gleichgültig wie kompliziert es ist. Komplexität allein ist also keineswegs, wie man meinen könnte, eine Voraussetzung für Bewusstsein. Ganz im Gegenteil: Das Allermeiste im Gehirn ist ungeheuer komplex und läuft unbewusst ab, während viele Bewusstseinszustände vergleichsweise einfach strukturiert sind. Bewusst werden die Vorgänge außerhalb der Großhirnrinde nur dann, wenn Erregungen von den extra-corticalen Hirnbereichen in die Großhirnrinde dringen. Allerdings ist auch vieles von dem, was in der Großhirnrinde abläuft, unbewusst. Dazu gehören erst einmal alle Abläufe in den primären und sekundären sensorischen und motorischen Arealen – nur das, was den assoziativen Cortex erregt, ist überhaupt bewusstseinsfähig. Aber auch das, was in diesem assoziativen Cortex abläuft und nicht die Schwelle des Bewusstseins überschreitet, bleibt unbewusst.
    Dies alles bedeutet, dass das Bewusstsein sich grundsätzlich auf den assoziativen Cortex beschränkt und dort auch noch an besondere Aktivitätsbedingungen gebunden ist. Bewusstsein ist damit ein sehr begrenzter Vorgang, auch wenn er unsere ganze Erlebniswelt umfasst. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass das Bewusstsein im assoziativen Cortex nur entsteht, wenn viele grundsätzlich unbewusst arbeitende Prozesse in anderen Teilen des Cortex und des extra-corticalen Gehirns ablaufen. Hierzu gehören zum einen die sensorischen Erregungen, die überwiegend über den dorsalen Thalamus einlaufen. Weiterhin gehören hierzu die Erregungen aus der retikulären Formation des Hirnstamms, welche die Großhirnrinde über andere Teile des dorsalen Thalamus »wachmachen« und unsere Aufmerksamkeit steuern. Drittens handelt es sich um die großen

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