Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
ab, z. B. den soeben beschriebenen neuromodulatorischen Systemen (vornehmlich dem cholinergen und noradrenergen System), von Teilen des dorsalen Thalamus (Pulvinar und thalamischer retikulärer Kern) und der retikulären Formation sowie von der Arbeit des Hippocampus. Der Hippocampus ist, wie gehört, der Organisator des deklarativen, bewusstseinsfähigen Gedächtnisses. Damit ist er auch der Ort der Verdrängung: Unter dem Einfluss des limbischen Systems werden bestimmte unerwünschte Informationen beständig im Vorbewussten gehalten und von dort wieder nur durch geduldige Arbeit eines Psychotherapeuten (falls diese erfolgreich ist) hervorgeholt.
KAPITEL 4
Die Verankerung der Persönlichkeit
im Gehirn
Im ersten Kapitel ging es um die Bestimmung von Persönlichkeits- und Temperament-Typen und der sie charakterisierenden Merkmale sowie um Intelligenz und Kreativität, die man auch zur Persönlichkeit rechnet. Offen geblieben ist hierbei die Frage nach der neurobiologischen Verankerung dieser Merkmale.
Die Hirnforschung geht – gemeinsam mit dem überwiegenden Teil der Persönlichkeitspsychologie – davon aus, dass die Persönlichkeit im Gehirn und im weiteren Sinne im peripheren Nervensystem verankert ist, das wiederum mit dem Körper und seinen Funktionen eng zusammenhängt. Die Idee einer solchen Verankerung ist nicht neu – man denke nur an die Versuche der Phrenologen, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale auf der Hirn- bzw. Schädeloberfläche zu verorten. Man nahm an, dass sich bestimmte Auswölbungen des Gehirns an den Stellen, an denen die einzelnen Persönlichkeitsmerkmale sitzen, in die Schädeldecke eindrücken und man so durch Ertasten der Schädeloberfläche diese Merkmale identifizieren kann. Heute weiß man, dass dies Unsinn ist: Weder die Schädeloberfläche noch die Hirnoberfläche verraten uns die Anwesenheit funktioneller Zentren; diese kann man nur mithilfe mikroskopisch-neuroanatomischer sowie funktioneller Methoden wie der Elektro-Enzephalographie (EEG), der Magnet-Enzephalographie (MEG) und insbesondere der funktionellen Kernspintomographie (fMRI) und des Studiums der Folgen von Hirnschädigungen untersuchen (siehe Exkurs 1).
In der Hirnforschung ist viel und erbittert über die Frage gestritten worden, ob es Sinn macht, bei Suche nach der Verortung geistig-psychischer Funktionen im Gehirn nach eng umschriebenen Zentren zu suchen. Es gab die »Lokalisationisten«, die an die Existenz solcher Zentren glaubten, und die »Holisten«, die davon ausgingen, dass alle geistig-psychischen Funktionen eine Leistung des gesamten Gehirns und damit eine ganzheitliche, »holistische« Leistung darstellen. Heute ist dieser Streit – ähnlich wie der ebenso erbittert geführte Streit über Anlage und Umwelt – weitestgehend beendet. Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass es im Gehirn anatomisch eng umgrenzte Gebiete (etwa Areale der Großhirnrinde oder Kerne im subcorticalen Bereich des Gehirns) gibt, die eng umgrenzte Funktionen haben. Man spricht deshalb allgemein von strukturell-anatomischen »Modulen« und entsprechend vom »modularen Aufbau« des Gehirns und seiner Funktionen. Davon haben wir bereits im Zusammenhang mit den »Ich-Modulen« gehört. Das gibt den »Lokalisationisten« Recht.
Allerdings – und das spricht ein wenig für die »Holisten« – handelt es sich dabei meist nur um Teil funktionen. Komplexere Abläufe wie Sehen, Hören, Handlungsplanen, Furcht oder Gedächtnis beruhen immer auf der gleichzeitigen oder aufeinander folgenden Aktivität vieler Zentren mit solchen Teilfunktionen, die zusammen ein Netzwerk von Zentren bilden. Man spricht deshalb von der funktionellen Multi-Zentralität des Gehirns. Hinzu kommt, dass Areale und Kerne häufig funktionelle Überlappungen mit anderen Arealen und Kernen aufweisen. Bestimmte subcorticale und corticale Zentren können sich deshalb bei einer komplexen Funktion (z. ;B. bei der Steuerung der Aufmerksamkeit, bei Gedächtnisfunktionen oder dem Entstehen von Gefühlen) unterstützen und zum Teil sogar ersetzen. Das Gehirn ist also in vieler Hinsicht funktional redundant, d. ;h. eine bestimmte Funktion kann auf verschiedene Weise ausgeübt werden. Das ist die Grundlage der großen funktionalen Plastizität , d. ;h. der Veränderbarkeit des Gehirns.
Die vier Ebenen der Persönlichkeit
Eine Multi-Zentralität ist insbesondere bei einem hochkomplexen Phänomen wie der Persönlichkeit zu erwarten. Wir haben hier
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